Die erwartete Senkung des Einlagensatzes auf 2,5 Prozent am Donnerstag wird wahrscheinlich der letzte Schritt sein, auf den sich die 26 Währungshüter der EZB leicht einigen können. Die Debatte darüber, wie weit und wie schnell danach noch gesenkt werden soll, hat bereits begonnen.

Die Zinsen nähern sich inzwischen einem Niveau, das die Konjunktur in der Eurozone nicht mehr bremst, weshalb einige im EZB-Rat vor einer zu starken Lockerung warnen. Indessen überschattet die Aussicht auf US-Handelszölle den europäischen Wachstumsausblick. Ein Friedensabkommen in der Ukraine – so weit entfernt diese Vorstellung zum jetzigen Zeitpunkt auch sein mag – würde ihn indessen dramatisch aufhellen.

«Die zunehmenden Kontroversen machen es sicherlich nicht einfacher, sich auf weitere Zinssenkungen zu einigen, und dies könnte dazu führen, dass das Tempo etwas nachlässt», sagt Jari Stehn, Chefökonom für Europa bei Goldman Sachs. «Eine Pause im April scheint möglich, aber eine weitere Senkung ist immer noch wahrscheinlich.»

Auch die von Bloomberg befragten Analysten sehen die Aussichten als unsicherer an. Während sie fast einstimmig eine Zinssenkung in dieser Woche prognostizieren, geht etwa ein Viertel von keiner Änderung im April aus. Anleger sind in Bezug auf jenen Monat ebenfalls zwiegespalten.

Im Vorfeld der geldpolitischen Sitzung im März haben Falken im EZB-Rat bereits die Meinung vieler Ökonomen in Frage gestellt, dass der Einlagensatz bis Mitte des Jahres reibungslos auf 2 Prozent zusteuern wird.

Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel sagte, sie sei sich nicht sicher, ob die Geldpolitik noch restriktiv sei. Der Belgier Pierre Wunsch forderte die Währungshüter auf, nicht «schlafwandelnd auf 2 Prozent zuzusteuern». Laut Bundesbankpräsident Joachim Nagel sollte man sich nicht zu weiteren Kürzungen drängen lassen.

Aus dem Taubenlager hiess es von Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau, dass man «im kommenden Sommer bei 2 Prozent sein könnte». Direktoriumsmitglied Piero Cipollone nannte die parallele Rücknahme früherer Stimulusmassnahmen durch die EZB als Anlass für eine aggressivere Lockerung.

Laut Griechenlands Yannis Stournaras werden die Währungshüter die letzten beiden Zinssenkungen möglicherweise erst im Herbst vornehmen, was eine Pause auf dem Weg dorthin bedeutet.

Die EZB geht weiterhin davon aus, dass die Inflation ihr Ziel von 2 Prozent im Jahr 2025 erreichen wird. Mehr Klarheit werden die heutigen Eurostat-Daten für Februar bringen. Der Fokus wird dabei auf den Dienstleistungspreisen liegen, die seit mehr als einem Jahr mit einer beunruhigenden Geschwindigkeit von etwa 4 Prozent steigen.

Mit Blick auf nachlassende Lohnerhöhungen hat die EZB schon lange eine eventuelle Verlangsamung vorausgesagt. Belege für eine solche Mässigung dürften in den kommenden Monaten mehr ins Gewicht fallen, so Kamil Kovar von Moody’s Analytics.

»Im April und möglicherweise im Juni könnte die EZB stärker von Datenpunkten abhängig sein», sagt der Ökonom. «Wenn die Inflationszahlen vor der April-Sitzung hoch ausfallen, wird es keine Senkung geben. Wenn sie niedrig ausfallen, wird es eine Senkung geben.»

Eine weitere Frage ist, ob US-Präsident Donald Trump seine Zolldrohungen auf europäische Waren tatsächlich umsetzt. Bei der Berechnung möglicher Auswirkungen hat sich die EZB wegen mangelnder Details bislang zurückgehalten, obwohl sie einräumt, dass das Wachstum einen Dämpfer erhalten würde.

Die Folgen für die Inflation sind weniger klar. Aber zumindest auf längere Sicht könnte der Aufwärtsdruck überwiegen, sagt Lena Komileva, Chefökonomin bei G Plus Economics.

»Die Eurozone steht vor einem neuen stagflationären Schock in Form von Handelskriegen zu einer Zeit, in der der politische Spielraum begrenzt und der politische Wille zersplittert ist», sagte sie. «Die EZB hat wenig Spielraum für politische Fehler.»

Erschwerend kommt hinzu, dass die Aussicht auf eine Erhöhung der Staatsausgaben – insbesondere für Verteidigung – besteht. Der Grund sind vor allem die Haltung Trumps, dass die USA die Sicherheit Europas nicht mehr garantieren werden. Die Staats- und Regierungschefs der EU werden am Donnerstag in Brüssel über ihre Optionen beraten.

Dies könnte zwar zu steigenden Anleiherenditen führen, aber die Auswirkungen auf die Inflation dürften noch auf sich warten lassen. Das liegt daran, dass Militärausgaben andere wirtschaftliche Auswirkungen haben als Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaftstätigkeit – zum Teil, weil das Geld an Unternehmen im Ausland fliesst, und zum Teil, weil es nicht über Nacht ankommt.

Alles in allem und unter Berücksichtigung der jüngsten Verlangsamung von Inflation und Löhnen «kann man durchaus für eine weitere Senkung im April argumentieren», sagt Peter Schaffrik, Makrostratege bei RBC Capital Markets. «Irgendwo zwischen 2,5 und 2 Prozent dürften die Stimmen, die eine Pause fordern, jedoch lauter werden.»

(Bloomberg)