Von Reuters befragte Experten stellen sich darauf ein, dass die Währungshüter die aktuelle Zinsspanne von 5,00 bis 5,25 Prozent am Mittwoch beibehalten werden. Doch ausgemachte Sache ist dies noch nicht. Der US-Währungshüter Neel Kashkari aus Minneapolis ringt mit sich, wie er abstimmen soll: Die Abwägung zwischen Erhöhung und Pause sei "eine knappe Sache". Hilfe bei der Entscheidungsfindung dürften frische Inflationsdaten liefern, die erst am Dienstag, kurz vor dem Zinsentscheid, hereinkommen.
Die Fed hat die Zinsen seit Anfang 2022 bereits zehn Mal in Folge erhöht, um dem Preisauftrieb Paroli zu bieten und den heiss gelaufenen Arbeitsmarkt abzukühlen. Die Commerzbank-Ökonomen Christoph Balz und Marco Wagner gehen davon aus, dass die Inflationsrate im Mai bei wohl nur noch "gut 4 Prozent" landen wird, nach 4,9 Prozent im April. Sollte der Preisauftrieb weiter an Kraft verlieren, kann die Fed dies als Etappensieg feiern. Doch das Ziel einer Teuerungsrate von 2,0 Prozent ist noch bei weitem nicht erreicht.
KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib geht davon aus, dass die US-Zentralbank bei der anstehenden Sitzung dennoch eine Pause einlegen kann. "Denn im lange Zeit betonstarken Arbeitsmarkt sind erste Haarrisse zu erkennen und die Fed tut gut daran zunächst abzuwarten, wann und wie heftig sich der sehr rasante Zinsanstieg der letzten 15 Monate in der Realwirtschaft bemerkbar macht", fügte sie hinzu.
Als Warnsignal gilt, dass die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe zuletzt weit höher als gedacht ausfiel. Mit jüngst 261.000 Anträgen auf staatliche Stütze ist die wöchentlich ermittelte Zahl nunmehr nahe an die kritische Marke von 270'000 herangerückt. Diese gilt als Wendepunkt, der eine nachhaltige Eintrübung des Arbeitsmarkts signalisiert. Der boomte bislang jedoch - trotz aller Zinserhöhungen.
Noch ein Schritt im Juli?
Die von den Währungshütern ins Auge gefasste Pause eröffnet die Möglichkeit, dass die im Eiltempo durchgezogene geldpolitische Straffungs-Serie ihre Wirkung nach und nach entfaltet und sich überdies der Bankensektor von den jüngsten Erschütterungen weiter erholen kann. Die Führungsspitze der Zentralbank ist sich laut den Protokollen der jüngsten geldpolitischen Sitzung generell einig, dass weitere Schritte nach oben nicht mehr so dringlich erscheinen.
Mit einer Pause könnten die Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell Zeit gewinnen, die eingehenden Konjunkturdaten in Ruhe zu sichten und danach zu entscheiden, ob eine weitere Straffung noch nötig ist. Die US-Wirtschaftsleistung hat im ersten Quartal auf das Jahr hochgerechnet um 1,3 Prozent zugelegt. Das Wachstum hat sich damit bereits glatt halbiert: Ende 2022 reichte es noch zu plus 2,6 Prozent. Laut dem Fed-Konjunkturbericht "Beige Book" scheint sich der Ausblick überdies einzutrüben.
Powell habe seine Präferenz bereits kundgetan, im Juni in der Warteschleife zu bleiben, sagte Philip Marey von der Rabobank. Eine solche Pause sollte nicht als Signal interpretiert werden, dass der Zinsgipfel bereits erreicht sei, betonte jüngst Fed-Direktor Philip Jefferson. Somit könnte die Ära der Zinserhöhungen im Juni nicht enden und im Juli womöglich noch ein Schritt nach oben folgen. Für Jürgen Molnar vom Brokerhaus RoboMarkets stellt sich mit Blick auf die anstehende Fed-Sitzung die Frage, wie deutlich sich die Geldpolitiker schon in Richtung einer weiteren Zinserhöhung positionieren: "Wunschdenken ist aber sicherlich die Ankündigung von Zinssenkungen."
(Reuters)