Es kommt vor, dass Forschungsarbeiten von Universitätsprofessoren über den Elfenbeinturm hinaus diskutiert werden. Ein aktuelles Beispiel ist der mehr als 50 Seiten starke Aufsatz einer Ökonomengruppe um Emi Nakamura der Universität von Kalifornien in Berkeley. Er wurde am Treffen der Notenbanker in Jackson Hole vorgestellt und schliesst mit den Worten, Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit von Zentralbanken wie der Fed seien Werte, «die viel schneller zerstört werden können, als sie aufgebaut wurden».

Nakamura nennt das Kind nicht weiter beim Namen. Der Schlusssatz ihres Artikels fällt allerdings in eine Phase, in der US-Präsident Donald Trump verstärkt Druck auf die amerikanische Notenbank ausübt. Und tatsächlich sei die zunehmend aggressive Gangart der Trump-Regierung gegenüber der Fed «besorgniserregend», schreibt Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, als er jüngst den Aufsatz von Nakamura besprach.

Trump drängt auf tiefere Zinsen in den Vereinigten Staaten. Er hat den Fed-Chef Jerome Powell mehrfach angegriffen und erwog unter anderem eine grosse Klage gegen den Notenbankvorsitzenden. Nach Trumps Auffassung hat Powell «unermesslichen» Schaden angerichtet, weil er die Zinsen nicht rasch genug gesenkt habe. Vor kurzem wollte Trump auch Fed-Gouverneurin Lisa Cook entlassen, die sich allerdings vor Gericht wehrte.

Die politische Einflussnahme nehme einen Verlust an Glaubwürdigkeit der US-Zentralbank in Kauf, was zu höheren Inflationserwartungen und höheren Risikoprämien für langfristige Finanzanlagen führen könne, schreibt Junius. Dabei ist die Glaubwürdigkeit der Notenbank massgebend für den Erfolg ihrer Geld- und Zinspolitik. Und auch dies geht aus der Untersuchung der Berkeley-Ökonomin Emi Nakamura hervor: In der Phase steigender Inflation nach der Corona-Pandemie konnten Zentralbanken mit einer starken Bilanz in der Inflationsbekämpfung dem Teuerungsschock zu relativ geringen Kosten begegnen. Notenbanken mit schwacher Bilanz im Kampf gegen die Inflation hätten die Zinsen aggressiver erhöht, aber dennoch stärkere Inflationsschübe erlebt, berichten die Wirtschaftswissenschaftlerin und ihre Kollegen.

Die Fed habe sich über Jahrzehnte eine gute Reputation aufgebaut und könne sich auf langfristig verankerte Inflationserwartungen verlassen. Gerade während der Phase gestiegener Inflation nach der Corona-Pandemie sei der Markt zuversichtlich gewesen, dass die Fed entschlossen vorgehen werde, sollte sich die Teuerung weiter festsetzen. Anders gesagt: Der Markt traute der Fed zu, dass sie die Inflation wieder in den Griff bekommen wird - ein Vertrauen, das laut Nakamura nicht eben unangreifbar ist.

Reto Zanettin
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