Die Aktie von Stadler Rail wurde in den Wochen vor der Jahresergebnisveröffentlichung mit Vorschusslorbeeren bedacht. Zeitweise kostete sie bis zu 17 Prozent mehr als noch Ende Dezember. Zuletzt lag das Kursplus seit Jahresbeginn noch bei gut 8 Prozent.

Umso mehr wurde das Ergebnis in Börsenkreisen mit Spannung erwartet. Nun zeigt sich allerdings, dass die Vorschusslorbeeren nicht oder nur teilweise gerechtfertigt waren. Mit einem Umsatz von 3,75 Milliarden Franken und einem Reingewinn von 75 Millionen Franken verfehlt der Zugbauer die bei 3,84 Milliarden Franken beziehungsweise 127 Millionen Franken liegenden Schätzungen der Analysten im vergangenen Jahr nämlich ziemlich deutlich. Dabei werden selbst die pessimistischsten Einzelschätzungen verfehlt.

Auch die diesjährigen Finanzziele sorgen für lange Gesichter, strebt das Unternehmen doch einen Jahresumsatz zwischen 3,7 und 4 Milliarden Franken bei einer operativen Marge in etwa auf Vorjahreshöhe an. Die Bank Vontobel etwa ging bisher von einem Jahresumsatz in Höhe von 4,17 Milliarden Franken und einer Verbesserung der operativen Marge von 5,5 auf 6,5 Prozent aus.

Mit anderen Worten: Viele Analysten werden bei ihren Schätzungen mal wieder den dicken Rotstift ansetzen müssen. Daran ändert auch nichts, dass der Zugbauer eisern an seinen bis Ende 2025 definierten Mittelfristzielen festhält. Firmenpatron Peter Spuhler sei gefordert, bleibe das Unternehmen die Versprechen aus dem seinerzeitigen Börsengang vom April 2019 doch weiterhin schuldig, wie aus Börsenkreisen verlautet. Berechnungen der französischen Investmentbank Oddo zufolge gehören die Gewinnschätzungen auf Stufe EBIT auf Basis der vorliegenden Informationen um bis zu 15 Prozent gekürzt. Die Bank rät wie bis anhin mit "Underperform" zum Verkauf der Aktie.

Die Basler KB räumt zwar ein, dass Stadler Rail auch im schwierigen 2022 bei Umsatz und Aufträgen wieder neue Rekorde schreiben und damit die herausragende Qualität beweisen konnte. Allerdings schlägt sich der Anstieg von Energie- und Materialkosten stärker in den Unternehmenszahlen und den Erwartungen nieder als von der zuständigen Analystin angenommen. Sie zögert deshalb nicht lange und stuft die Aktie mit einem Kursziel von 32,50 (zuvor 35) Franken von "Übergewichten" auf "Marktgewichten" herunter.

Freude bei den Leerverkäufern und pessimistischen Analysten

Nach einem Rücksetzer auf 32,50 Franken verliert die Stadler-Rail-Aktie zur Stunde noch gut 7 Prozent auf 32,90 Franken.

Auftrieb erhalten damit die zuletzt pessimistischen Analysten von Kepler Cheuvreux oder der Bank of America. Erstere stufen den Titel mit "Reduce" und einem Kursziel von 32,50 Franken, letztere mit "Underperform" und gar einem Kursziel von bloss 22 Franken ein. Auch bei den Leerverkäufern dürfte die Freude gross sein, spekulierten sie Schätzungen zufolge jüngst doch mit knapp 8 Prozent aller ausstehenden Aktien auf tiefere Kurse.

Verteidigende Kommentare treffen seitens der Bank Vontobel und Mirabaud Securities ein. Vontobel hebt die randvollen Auftragsbücher und die dadurch gute Vorhersehbarkeit der künftigen Geschäftsentwicklung hervor und sieht im Zugbauer einen Gewinner des Trends in Richtung eines grüneren Transportwesens. Das Anlageurteil lautet "Buy" mit einem Kursziel von 42 Franken. Mirabaud Securities lobt hingegen die Fortschritte beim operativen Geschäft und sieht in jeglicher Kursschwäche eine Kaufgelegenheit für die ebenfalls mit "Buy" und einem Kursziel von 42 Franken eingestufte Aktie.

Auch die UBS schlägt einmal mehr eher versöhnliche Töne an. Die Grossbank begrüsst die Fortschritte beim freien Cash Flow und sieht in diesem Zusammenhang ein gewichtiges Argument der Leerverkäufer wegfallen. Die UBS bleibt bei ihrer Verkaufsempfehlung, wobei das 43 Franken lautende 12-Monats-Kursziel womöglich gesenkt wird. Die Grossbank war seinerzeit in den Börsengang des Unternehmens involviert.

Bei Stifel zeigt man sich hingegen ziemlich enttäuscht, sowohl in Bezug auf das letztjährige Ergebnis als auch auf die zukunftsgerichteten Aussagen. Von letzteren leitet der Broker für 2023 einen operativen Jahresgewinn (EBIT) in Höhe von rund 211 Millionen Franken ab. Er selber ging zuletzt von einem EBIT in Höhe von 254 Millionen Franken aus und muss diese Schätzung nun zurücknehmen. Wie Vontobelo und Mirabaud Securities preist auch Stifel die Aktie mit "Buy" und einem Kursziel von 42 Franken an.