"Es gibt keine Zeit, um zu pausieren", sagte EZB-Direktorin Isabel Schnabel am Donnerstag auf einer Veranstaltung der slowenischen Notenbank in Ljubljana. Die Entwicklung der Kerninflation, bei der schwankungsreiche Energie- und Lebensmittelpreise rausgerechnet werden, weise darauf hin, dass der Preisschub länger anhalten könnte. "Wir werden die Zinsen weiter anheben müssen, wahrscheinlich in den restriktiven Bereich," sagte sie. Ihre EZB-Ratskollegen, Sloweniens Notenbankchef Bostjan Vasle, und der Notenbank-Gouverneur der Slowakei, Peter Kazimir, äusserten sich auf der Veranstaltung ähnlich.
Am Markt wird derzeit geschätzt, dass beim Einlagensatz das neutrale Zinsniveau, bei dem eine Volkswirtschaft weder gebremst noch angeheizt wird, zwischen 1,5 und 2,0 Prozent liegt. Die nächste Zinssitzung der EZB ist am 15. Dezember. Zuletzt hatten manche Euro-Wächter auch auf die Gefahren einer zu kräftigen Anhebung hingewiesen. So sei die Euro-Zone viel mehr verwundbar angesichts einer globalen Konjunkturabschwächung und höherer Energiepreise als die USA, hatte etwa EZB-Direktor Fabio Panetta argumentiert. Die Inflation im Euro-Raum war im Oktober auf das Rekordniveau von 10,7 Prozent geklettert. Damit ist sie inzwischen mehr als fünf Mal so hoch wie das Ziel der EZB von zwei Prozent. Um gegenzusteuern hat die EZB ihre Schlüsselzinsen in rascher Abfolge mehrmals kräftig erhöht - zuletzt zweimal um 0,75 Prozentpunkte. Inzwischen liegt der Leitzins, zu dem sich Banken im Euro-Raum Geld bei der EZB leihen, bei 2,0 Prozent. Der an den Börsen massgebliche Einlagenzins, den Institute für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, steht bei 1,5 Prozent.
Nach Einschätzung von Schnabel ist die Gefahr einer Rezession im Euro-Raum inzwischen gestiegen. Sollte es dazu kommen, sei aber wahrscheinlich nicht mit einem tiefen Wirtschaftseinbruch zu rechnen, fügte sie hinzu. "Die Rezession als solche wird nicht ausreichen, um die Inflation so weit nach unten zu bewegen wie es erforderlich ist, um zurückzukommen zu unserem Inflationsziel", sagte Schnabel. Nur eine tiefe Rezession, die mit einem starken Anstieg der Arbeitslosenzahlen einhergehe, könne den Inflationsdruck spürbar abklingen lassen. "Das ist gegenwärtig unwahrscheinlich", sagte sie und verwies auf einen robusten Arbeitsmarkt, auf grosse überschüssige Ersparnisse und die massive fiskalischen Hilfen der Staaten.
Vasle erwartet Anstieg über neutrales Niveau hinaus
Auch Sloweniens Notenbankchef Vasle sprach sich für weitere Zinserhöhungen aus. "Wir werden höchstwahrscheinlich über das Niveau hinausgehen müssen, das derzeit als neutrale Rate verstanden wird," sagte er. Zudem ist es Vasle zufolge angemessen, 2023 mit der sogenannten "quantitativen Straffung" zu beginnen. So wird in der Fachwelt das Abschmelzen der hohen Anleihenbestände der Notenbank bezeichnet. Durch die massiven Anleihenkäufe der vergangenen Jahre ist die Notenbankbilanz der EZB inzwischen auf rund neun Billionen Euro angeschwollen.
Aus Sicht des slowakischen Notenbankchefs Kazimir deuten derzeit alle Risiken in Richtung einer höheren Inflation. Aus seiner Sicht werden inzwischen die grossen Unterstützungsprogramme der Regierungen immer mehr zu einem weiteren Inflationsfaktor. "Die derzeit ergriffenen Massnahmen sind oft weit entfernt von den vorübergehenden und gezielten Eingriffen, die wir gerne sehen würden", kritisierte er. Das derzeitige fiskalische Verhalten werde schnell zu einem Inflationsrisiko, warnte er.
(Reuters)