Freixe musste am Montag gehen, weil er eine Beziehung zu einer Untergebenen nicht offengelegt und damit gegen den Verhaltenskodex verstossen hatte. Sein Nachfolger Navratil, bisher Chef der Kaffeekapsel-Sparte Nespresso, steht nun vor der Aufgabe, den Kursverfall der Aktie zu stoppen und den stagnierenden Umsatz des Herstellers von KitKat-Riegeln und Nesquik-Kakao wieder anzukurbeln. Im Folgenden die wichtigsten Aspekte des Führungswechsels:

Der neue Chef

Der 49-jährige schweizerisch-österreichische Doppelbürger Philipp Navratil ist ein Nestlé-Urgestein. Er begann 2001 nach seinem Wirtschaftsstudium seine Laufbahn bei dem Unternehmen und stieg über verschiedene Stationen, darunter viele Jahre in Lateinamerika, in der Hierarchie auf. Im vergangenen Jahr wurde er zum Leiter von Nestlé Nespresso ernannt. Dem Vorstand des Konzerns gehört er erst seit dem 1. Januar dieses Jahres an. Seine plötzliche Ernennung sorgt für weitere Unruhe in den Schweizer Konzern, nur ein Jahr nach der Entlassung des damaligen Vorstandsvorsitzenden Mark Schneider und wenige Monate nach der Ankündigung des geplanten Abgangs des langjährigen Verwaltungsratspräsidenten.

Die Herausforderungen

Navratil muss sich mehreren Problemen gleichzeitig stellen. Die weltweite Konjunkturflaute zwingt die Verbraucher zum Sparen, weshalb sie zunehmend zu günstigeren Alternativen greifen. Dies belastet den Absatz von Markenprodukten. Im ersten Halbjahr wuchs Nestlé langsamer als erwartet und verwies auf die negativen Auswirkungen von US-Zöllen und des starken Frankens.

Zudem muss Navratil dem Aktienkurs neuen Auftrieb verleihen. Das Papier hat sich seit Freixes Amtsantritt schlechter als die europäische Konkurrenz entwickelt und in den vergangenen fünf Jahren ein Drittel seines Wertes verloren. Analysten äusserten die Sorge, der neue Chef könne durch die Sanierungsstrategie seines Vorgängers eingeengt sein, von der der Markt nicht überzeugt sei. «Freixe kam am Markt nicht gut an und auch die Ziele für die Umstrukturierung wurden auf die lange Bank geschoben», kommentierte Maurizio Porfiri, Anlagechef von Maverix Securities. Nun komme es zu einem weiteren Neustart.

Imageschaden

Die Entlassung eines Top-Managers wegen eines Verstosses gegen den Verhaltenskodex ist für Unternehmen ein heikles Imageproblem. Auch der frühere BP-Chef Bernard Looney und der Ex-CEO von McDonald's, Steve Easterbrook, verloren ihre Posten, weil sie unternehmensinterne Beziehungen verheimlichten. Der Chef des US-Datenspezialisten Astronomer trat im Juli zurück, nachdem er bei der Umarmung einer Mitarbeiterin auf einem Konzert der Gruppe Coldplay gefilmt worden war. In der Schweiz musste Credit-Suisse-Verwaltungsratschef Antonio Horta-Osorio wegen Verstössen gegen Corona-Regeln 2022 zurücktreten.

Vontobel-Analyst Jean-Philippe Bertschy sagte, eine der ersten Prioritäten des neuen Chefs werde es sein, «Nestlé aus dem aktuellen Kreislauf negativer Schlagzeilen herauszuholen.»

Geteiltes Echo auf Nachfolger

Die Ernennung von Philipp Navratil zum Nachfolger an der Nestlé-Spitze stösst auf ein geteiltes Echo. Kritiker wie die Analysten von Bernstein bemängeln, dass erneut ein interner Kandidat ohne umfassende externe Suche ernannt wurde. Andere Beobachter bewerten die Personalie jedoch positiv. Die Analysten der Zürcher Kantonalbank sprachen von einem guten «Schweizer Kompromiss». Der neue Chef werde für frischen Wind von innen sorgen und sei «ausserordentlich geradlinig, ehrgeizig und unerbittlich auf Ergebnisse fokussiert», hiess es bei der Bank Vontobel.

(Reuters)