Anleger dürften in der neuen Woche mit bangen Blicken Richtung Nahost blicken. Noch ist völlig unklar, ob mit einem möglichen Eingriff der USA in den Konflikt zwischen Israel und dem Iran die nächste Eskalationsstufe gezündet wird. «Die Sommerpause an der Börse, die eigentlich einen ruhigeren Handel mit sich bringt, fällt dieses Jahr wohl flach», prognostiziert Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets. Auch Jürgen Molnar von RoboMarkets konstatiert: Keiner wisse, wohin eine Beteiligung der USA in diesen Konflikt führe und wie weit die Welt dann noch von einem Flächenbrand im Pulverfass Nahost entfernt sei.
Auf Wochensicht ist der SMI bereits ins Schlingern geraten und hatte 1,8 Prozent auf 11'925 Punkte verloren. Auch der Dax befand sich mit minus 2 Prozent im Rückwärtsgang. Das Anfang Juni erreichte Rekordhoch von 24'479,42 Punkten scheint in weite Ferne gerückt. Auf Höhenflug hat sich mit Beginn der Angriffe Israels auf iranische Nuklear- und Militäranlagen dagegen der Ölpreis begeben - Anleger fürchten, dass eine Ausweitung des Konflikts die Energieinfrastruktur in der Region einem höheren Angriffsrisiko aussetzen und zu Versorgungsengpässen führen könnte. US-Präsident Donald Trump will sich innerhalb von zwei Wochen entscheiden, ob er Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu direkt unterstützen will. Der Iran fördert täglich etwa 3,3 Millionen Barrel Rohöl und ist unter den Mitgliedern der Organisation erdölexportierender Länder drittgrösster Produzent.
Die grösste Angst des Ölmarktes sei jedoch die Schliessung der Strasse von Hormus, schrieben die Analysten von ING in einem Kommentar. Etwa 19 Millionen Barrel Öl werden täglich durch die Meerenge entlang der Südküste des Irans transportiert. Eine erhebliche Störung dieser Ströme könnte Experten zufolge den Preis auf 120 Dollar pro Barrel treiben. Seit vergangenen Freitag haben das Nordseeöl Brent und das US-Öl WTI um jeweils gut elf Prozent auf rund 75 Dollar je Fass verteuert.
Zeit für Verhandlungen im Zollkonflikt wird knapp
Abseits des unnachgiebig geführten Luftkriegs zwischen Israel und dem Iran dürften die Anleger auch das Thema Handelskonflikt nicht aus den Augen verlieren. Die Zeit für Verhandlungen der EU über ein mögliches Abkommen mit den USA wird immer knapper. Kommt es nicht zu einer Einigung, treten am 9. Juli die von Trump angedrohten hohen Sonderzölle für EU-Produkte in Kraft. Im Gegenzug plant die EU ebenfalls neue Zölle auf US-Waren. Der US-Präsident hatte im April hohe Sonderzölle für Importe aus Dutzenden Ländern verkündet, die er später teilweise wieder aussetzte. Die USA und China hatten sich im Handelsstreit zuletzt angenähert, viele Details waren aber noch unklar.
Wie es um die Konjunktur in der Euro-Zone und der deutschen Wirtschaft bestellt ist, dürften die am Montag anstehenden Einkaufsmanagerindizes für Juni zeigen. Die Analysten der Commerzbank rechnen angesichts der zunehmenden Impulse der Geldpolitik mit positiven Signalen. Am Dienstag folgt der Ifo-Index, der im Mai das fünfte Mal in Folge gestiegen war. Die Unternehmen zeigten sich zwar etwas skeptischer bei der aktuellen Lage, blickten aber weniger pessimistisch auf ihr künftiges Geschäft. Experten gehen davon aus, dass das Ifo-Geschäftklima auch im Juni zulegen wird, das Plus aber vergleichsweise klein ausfallen dürfte. Wegen der höheren US-Zölle und der zahlreichen strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft sei kein kräftiger Aufschwung zu erwarten, prognostiziert Commerzbank-Analyst Ralph Solveen.
Anleger rätseln über Zinskurs der amerikanischen Notenbank Fed
Aus den USA stehen am Donnerstag unter anderem die Industrieaufträge für langlebige Güter (Mai) und die finalen BIP-Zahlen zum ersten Quartal an. Zum Wochenschluss rückt das Thema Inflation in den Vordergrund. Veröffentlicht wird der sogenannte PCE-Index der persönlichen Ausgaben der US-Verbraucher. Dieser gilt als ein Inflationsmass, das die US-Notenbank Fed mit Blick auf ihre Zinspolitik besonders stark beachtet.
Zuletzt hatten die Währungshüter um Jerome Powell beim Zinsentscheid am Mittwoch erneut die Füsse stillgehalten. Den geldpolitischen Schlüsselsatz beliessen sie in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent. Für 2025 streben sie weiterhin Senkungen um insgesamt einen halben Prozentpunkt an. Die Fed will zunächst die Auswirkungen der US-Zollpolitik auf die Teuerung abwarten, bevor sie aktiv wird.
In der Schweiz steht am Montag der Amrize-Spin-Off an. Gleichentags steht die Publikation der Konsensus-Schätzungen des KOF an. Seitens Unternehmen stehen für die kommende Woche bisher keine grösseren Termine auf der Agenda.
(Reuters/Cash)