"Eine Fussball-WM sorgt erfahrungsgemäss für Impulse bei Fanartikeln, Trikots und in ausgewählten Lebensmittelbereichen", sagte der Sprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Hertel, am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Der Effekt sei jedoch nicht zu vergleichen mit Sportgrossereignissen im eigenen Land, wie etwa die WM 2006 in Deutschland. "Auch werden Fanevents im öffentlichen Raum im Winter sicher deutlich seltener stattfinden", sagte Hertel. Darunter könnte die Bereitschaft der Fans leiden, sich ein neues Trikot der Truppe um Kapitän Manuel Neuer oder andere Fanutensilien für das sonst so beliebte Public Viewing oder das gemeinsame Grillen zu kaufen.

"Sicherlich wäre es für den Einzelhandel einfacher gewesen, wenn das Turnier in bewährter Manier zum Sommertermin durchgeführt worden wäre", sagte Hertel. "Und sicher ist die Situation mit dem Austragungsort Katar eine besondere." Das arabische Land sieht sich dem Vorwurf von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Ausserdem sollen beim Bau der Stadien zahlreiche Arbeiter gestorben sein. Kanzler Olaf Scholz hatte bei seinem Besuch in Katar von Fortschritten bei der Behandlung der Beschäftigten gesprochen, auch wenn die Zustände in Katar nicht den deutschen entsprächen.

WM-Ball «Al-Rihla» als Verkaufsschlager

Adidas erwartet immerhin einen Umsatz von rund 400 Millionen Euro mit Produkten rund um die WM in Katar, wie Finanzvorstand Harm Ohlmeyer in dieser Woche sagte. Das wären rund zwei Prozent des Jahresumsatzes. Die Nummer zwei auf dem weltweiten Sportartikelmarkt rüstet sieben der 32 Teilnehmer und mehr als 100 einzelne Spieler aus, darunter die Nationalteams von Deutschland, Spanien und Argentinien sowie Kicker wie Lionel Messi und Manuel Neuer. Der Fussball-Umsatz sei in den ersten neun Monaten um 30 Prozent gestiegen. Der WM-Ball "Al-Rihla" wird bereits seit dem Frühjahr verkauft. Er gehört laut Adidas ebenso zu den Verkaufsschlagern wie das Trikot der mexikanischen Nationalelf. Puma setzt dagegen geringere Hoffnungen in die WM: Das Trikot des Adidas-Rivalen tragen nur sechs Aussenseiter, nachdem sich Europameister Italien nicht qualifiziert hat.

Schlechtes Timing

Grundsätzlich sorge eine Fussball-WM für eine Sonderkonjunktur in einigen Produktsegmenten, sagte der Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IFH Köln), Kai Hudetz. "Dies gilt insbesondere für die TV-Geräte." Das Timing sei in diesem Jahr aber schlecht. "Weil sich die Situation in den Lieferketten verbessert hat, sind viele Läger voll, die Nachfrage ist aber stark eingebrochen", sagte der Experte. Viele Kunden zögerten derzeit wegen der hohen Inflation, Energiekrise und drohender Rezession mit grösseren Ausgaben. "Mehr als 40 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten verschieben Anschaffungen im Bereich Consumer Electronics", sagte Hudetz. Gerade bei den TV-Geräten sei daher der Preiswettbewerb intensiver denn je.

"Inwieweit sich diese WM zu einem Zuschauermagnet vor den Bildschirmen entwickelt mit Umsatzsteigerungen bei Bier, Chips & Co. ist schwer zu beurteilen", räumte Hudetz ein. "Aktuell überwiegt die negative Berichterstattung, aber Erfolge des deutschen Teams können das schnell ändern." Sollte die DFB-Auswahl allerdings wie zuletzt 2018 früh aus dem Rennen um den Weltmeistertitel ausscheiden, werde die Zuschauerzahl vor den Bildschirmen vermutlich besonders stark einbrechen. Die sonst übliche WM-Sonderkonjunktur für den Einzelhandel könnte dann ausfallen. 

(Reuters)