Wie die Zeiten sich ändern: Bis in die 1980er Jahre hörte man Musik noch auf Vinyl-Platten, ehe diese dann kurzzeitig durch Audio-Kassetten und danach durch CDs abgelöst wurden. Um die Jahrtausendwende hatten illegale Downloads im Internet auf Portalen wie Napster ihre Blütezeit. Der Musikbranche machte diese Entwicklung schwer zu schaffen, die Umsätze und Gewinne brachen in der Folge massiv ein.
Wie das Monatsmagazin "Bilanz" in ihrer letzten Ausgabe vorrechnete, weisen die wichtigsten Musiklabels seit 2015 wieder steigende Umsätze auf. Der Grund für das Wiedererwachen einer ganzen Industrie: Streaming. Durch ein Streaming-Abo wird Musik quasi gemietet, aber nicht gekauft. Der Nutzer erwirbt dadurch das Recht, ein breites Musikangebot auf dem Computer oder Smartphone über das Internet zu hören, solange er dem Anbieter dafür monatliche Gebühren bezahlt. Im Jahr 2016 generierte Streaming in den USA erstmals mehr als die Hälfte der Musikerlöse – Tendenz steigend.
Der Trend beschränkt sich nicht nur auf Musik. Auch Filme und Serien werden von der jüngeren Generation mehrheitlich gestreamt. Auf dem Streaming-Markt tummeln sich neben Tech-Giganten wie Amazon, Apple und Google auch spezialisierte Anbieter, die ihre Geschäftsmodell ganz auf den "Online-Verleih" von Musik oder Filmen respektive Serien fokussiert haben. cash stellt fünf börsenkotierte Streaming-Firmen vor, die Anlegern künftig noch einige Freude bereiten könnten (für Übersicht siehe Tabelle am Artikelende):
Spotify - Wachstum vor Gewinn
Spotify ist mit weltweit 87 Millionen zahlenden Abo-Kunden der weltgrösste Musikstreaming-Dienst. Der Marktanteil beträgt 36 Prozent, womit die Schweden in Sachen Musik-Streaming auch Giganten wie Apple Music (19 Prozent Marktanteil) und Amazon (12 Prozent) deutlich auf die Plätze verweisen. Spotify bietet auch eine kostenlose (werbefinanzierte) Version an, die mit 109 Millionen Nutzern noch immer beliebter als das kostenpflichtige Abo ist.
Seit dem Börsengang vom 3. April 2018 in den USA mittels Direktplatzierung hat die Aktie knapp 10 Prozent eingebüsst. Vom Rekordhoch Ende Juli 2018 bei knapp 199 Dollar hat sich die Aktie gar wieder um ein Drittel entfernt auf aktuell unter 135 Dollar. Zwar konnte Spotify im dritten Quartal 2018 erstmals einen Gewinn verzeichnen, doch stellt Gründer und Chef Daniel Ek für die kommenden Quartale wieder Verluste in Aussicht, da man derzeit Wachstum vor Gewinn stellt. Drei Viertel der Spotify-Analysten empfehlen die Aktie zum Kauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt rund ein Drittel über dem aktuellen Aktienkurs. Mutige Anleger greifen zu, alle anderen warten zumindest den 6. Februar ab. Dann präsentiert Spotify die Zahlen zum vierten Quartal 2018 - und zeigt, wie viele neue Abonnenten gewonnen werden konnten.
Kursentwicklung Spotify-Aktie seit IPO am 3. April 2018, Quelle: cash.ch
Netflix - die Erwartungen sind hoch
Mit einer Marktkapitalisierung von 147 Milliarden Dollar ist Netflix der grösste reine Streaming-Anbieter. Der Produzent und Vermieter von Online-Filmen und -Serien hat wie fast alle Tech-Aktien gegen Ende 2018 deutlich an Terrain eingebüsst, ist jedoch bereits wieder stark angestiegen. Alleine in diesem Jahr weist die Aktie ein Plus von 26 Prozent auf.
Mitte Januar kündigte Netflix in den USA höhere Abo-Preise an, die Aktionäre frohlockten. Doch nur ein paar Tage später brach der Kurs anlässlich der Zahlenpräsentation wieder um 4 Prozent ein. Und dies, obwohl im vergangenen Quartal 8,8 Millionen neue Abos abgeschlossen wurden und der Umsatz um mehr als ein Viertel anstieg. Das zeigt: Die Erwartungen an die Aktie sind inzwischen extrem hoch, kleinste Enttäuschungen sorgen für Korrekturen.
Nichtsdestotrotz bleibt etwa die Credit Suisse optimistisch: Sie empfiehlt zum Kauf der Netflix-Aktie mit einem Kursziel bei 400 Dollar - zu den aktuellen 338 Dollar ein Aufwärtspotenzial von fast 20 Prozent. Der Analyst der CS erwartet 2019 ein starkes Wachstum der Abonnenten, nicht zuletzt dank neuen Staffeln der erfolgreichen Eigenproduktionen "Stranger Things" und "The Crown".
Roku - die volatile Aktie
Die nur in den USA und Grossbritannien tätige Roku ist hierzulande kaum bekannt. Die Firma aus Los Gatos in Kalifornien liefert Zusatzgeräte für Fernseher (eine Box oder einen kleinen Stick), mit denen Streaming-Dienste von Netflix, Amazon und anderen Anbietern geschaut werden können. Darüber hinaus verkauft Roku auch Lizenzen für das eigene Betriebssystem an TV-Produzenten und generiert Werbeeinnahmen.
Die Kursentwicklung der Aktie gleicht einer wirren Achterbahnfahrt: Im April 2018 waren es 30 Dollar, im Oktober ging es beinahe auf 80 Dollar hoch, ehe der Fall auf 26 Dollar Ende 2018 folgte. In diesem Jahr nun wieder der Anstieg auf aktuell 44 Dollar. Die Benutzerzahl konnte im vergangenen Jahr um deutliche 40 Prozent gesteigert werden. Das liess die Aktie an einem Handelstag um einen Viertel ansteigen. Das Gros der Analysten sieht noch weiteres Potenzial im Kurs, 70 Prozent aller abdeckenden Banken empfehlen zum Kauf. Die eher kleine Roku könnte auch ein interessantes Übernahmeziel für eine grössere Tech-Firma sein. Die Aktie ist nur für sehr risikofreudige Investoren ein Thema.
Tencent Music Entertainment - Chinesen wollen für Musik nichts bezahlen
Das Timing war nicht ideal: Der chinesische Musikstream-Anbieter Tencent Music Entertainment (TME) wollte bereits letzten Oktober an die Börse, verschob wegen Börsenturbulenzen diesen Termin aber auf Mitte Dezember. Also auf einen Zeitpunkt, wo es erneut rüttelte an den Aktienmärkten. Entsprechend lag der Ausgabepreis mit 13 Dollar am unteren Ende der Preisspanne. Seither hat die Aktie 17 Prozent zulegen können.
Operativ muss sich TME kaum etwas vorwerfen: Die Firma ist profitabel, ausserdem ist die Zahl der monatlichen Nutzer mit 800 Millionen etwa viermal so hoch wie bei Spotify. Allerdings mit einem Haken: Bei TME zahlen gerade mal 3,6 Prozent der Nutzer für ein Abo, bei Spotify sind es fast 45 Prozent. In diesem Bereich muss TME - welche in China aktiv ist - noch deutlich aufholen. In China wird weiterhin viel Musik illegal heruntergeladen, für Musik zu zahlen sind nur wenige bereit. Doch will die Regierung künftig geistiges Eigentum stärker schützen, wie sie dies zuletzt im August 2018 bekräftigte. Für den Branchenleader TME wäre das ein Segen, zumal das Potenzial im chinesischen Musikmarkt riesig ist. Wer in China investiert sein möchte, sollte diesen Titel ins Portfolio nehmen.
iQiyi - das Netflix von China
iQiyi - das Pendant zu Netflix in China - ist seit Ende März 2018 börsenkotiert. Wie Netflix kreiert iQiyi eigene Inhalte und verlangt monatliche Gebühren von ihren Abonnenten, um unlimitierten und werbefreien Zugriff auf die Video-Datenbank zu erhalten. Seit dem Hoch bei 46 Dollar Mitte Juni ging es an der Börse deutlich bergab, auf aktuell 20 Dollar. Das ist immerhin über dem Ausgabepreis bei 18 Dollar und 34 Prozent höher als noch zu Jahresbeginn. Nach dem dritten Quartal 2018 wies iQiyi mit Sitz in Peking insgesamt 80,7 Millionen Abonnenten auf - zum Vorjahr war dies fast eine Verdoppelung. Die Firma ist derzeit noch defizitär, woran sich auch in diesem Jahr nichts ändern dürfte.
Das Problem: In China erhält iQiyi pro Abonnent im Schnitt nur etwa 3 Dollar im Monat, während Netflix 11 Dolllar kassiert. Wie Tencent Music Entertainment hat iQiyi jedoch den grossen Vorteil, im riesigen Markt China - der weitestgehend vor ausländischer Konkurrenz geschützt ist - Branchenführer zu sein. Die Firma kann quasi ungestört Marktanteile ausbauen, bis in ein paar Jahren die Gewinnschwelle erreicht werden dürfte. Experten sehen im Schnitt zum aktuellen Aktienkurs ein Aufwärtspotenzial von 28 Prozent, wobei zwei Drittel aller Analysten zum Kauf empfehlen.
Wichtige börsenkotierte Streaming-Anbieter
Aktie | Kurs seit 1.1.19 | Kurs letzte 52 Wochen | Potenzial gemäss Kursziel* | Markt-Kapitalisierung |
Spotify | +19% | -10%** | +32% | 24,4 Mrd. Dollar |
Netflix | +26% | +29% | +16% | 147,4 Mrd. Dollar |
Roku | +43% | +3% | +29% | 4,8 Mrd. Dollar |
Tencent Music Entertainment | +16% | +17%** | +6% | 24,9 Mrd. Dollar |
iQiyi | +34% | +28%** | +28% | 14,4 Mrd. Dollar |
*Unterschied Aktienkurs zum durchschnittlichen Kursziel der Analysten
**Entwicklung jeweils seit IPO-Datum: Spotify am 3.4.18, Tencent Music Entertainment am 12.12.18 und iQiyi am 29.3.18
Quellen: cash.ch und Yahoo Finance