Für die Zinssitzung am Donnerstag ist ein Beschluss des EZB-Rats zu erwarten, das als Kriseninstrument geschaffene Anleihenprogramm namens PEPP nach gut zwei Jahren ab April 2022 abzuschalten. Diese Liquiditätsschleuder mit einem Gesamtumfang von 1,85 Billionen Euro hat Wirtschaft und Finanzmärkte nach dem beispiellosen Pandemieschock über Wasser gehalten. Damit es nach Entzug der Krisenhilfe nicht zu Verwerfungen an den Märkten kommt, soll es einen reibungslosen Übergang geben. Dabei dürfte das kleinere Anleihenprogramm APP in neu justierter Form das Mittel der Wahl sein.

Wie Reuters von Insidern erfuhr, laufen die Überlegungen in der EZB-Führungsetage darauf hinaus, das bereits im Oktober 2014 als Konjunkturstütze eingeführte Asset Purchases Programme (APP) im Umfang von zurzeit 20 Milliarden Euro pro Monat neu aufzustellen. Dabei will sich die EZB sowohl beim Umfang als auch für den Zeitraum der Zukäufe strikte Grenzen setzen und wohl keine Festlegung über 2022 hinaus vornehmen.

Anleihenkäufe dürften geringer ausfallen

In jedem Fall dürften die Anleihenkäufe der EZB ab April deutlich geringer ausfallen als derzeit mit PEPP und APP zusammen. Als eine Option gilt, für APP einen Gesamtumfang - im Fachjargon Envelope genannt - für die Zeit bis Ende 2022 festzulegen oder aber das Programm aufzustocken. Laut Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer könnte die EZB nach dem Ende des PEPP über eine flexible Handhabung des APP weiter Anleihen im Wert von rund 40 Milliarden Euro pro Monat erwerben: "Damit wird sie wohl auch 2022 die gesamten Haushaltsdefizite der Euro-Staaten durch ihre Nettoanleihekäufe finanzieren."

Der scheidende Bundesbankchef Jens Weidmann, der Ende des Monats vorzeitig abtritt, hat zu diesem Thema mehrfach mahnend den Zeigefinger gehoben. Die umfangreichen Anleihekäufe machten die Zentralbanken des Eurosystems zu den grössten Gläubigern der Mitgliedstaaten. Dadurch seien Geld- und Fiskalpolitik enger miteinander verflochten worden und Anreize für solide Staatsfinanzen geschwunden.

Auch DWS-Volkswirtin Ulrike Kastens erwartet, dass die EZB den Geldhahn nächstes Jahr noch recht weit geöffnet hält. Längstens bis Ende 2022 sei zusätzlich zu den monatlichen Ankäufen im Rahmen des APP mit einem Envelope von etwa 150 bis 200 Milliarden Euro zu rechnen. "Dies könnte der EZB Flexibilität geben. Ohnehin dürfte die EZB an ihrer Praxis festhalten, für das jeweils kommende Quartal ein beabsichtigtes Ankaufvolumen zu avisieren", so die Ökonomin. Alles in allem wäre dies aus ihrer Sicht ein erster wesentlicher Schritt heraus aus der sehr expansiven Geldpolitik. Die EZB hat signalisiert, dass zuerst der Ausstieg aus den Anleihekäufen abgeschlossen werden soll, bevor die Zinswende folgt.

Die auf Preisstabilität ausgerichtete EZB sieht sich zurzeit mit einem in der Geschichte der Euro-Zone nie dagewesenen Inflationsproblem konfrontiert: Kräftig gestiegene Energiepreise haben die Inflation im November auf ein Rekordniveau von 4,9 Prozent getrieben. Die neue Coronavirus-Variante Omikron bereitet weiteres Ungemach. Laut EZB-Vizechef Luis de Guindos, der sich nach einem positiven Corona-Test am Wochenende in Selbstisolation begeben hat, erhöht die neue Mutante die Unsicherheit bei der Wirtschaftsentwicklung. Vertreter einer eher straffen Linie dringen angesichts der vielen Unwägbarkeiten darauf, dass sich die EZB nicht über das kommende Jahr hinaus festlegt.

«Zeitfenster für Zinsschritte»

Laut Insidern ist es nun aber nötig, die Eckpfeiler für APP zu setzen. Auch eine Entscheidung zum Abschalten des im März 2020 beschlossenen Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) ab dem Frühjahr sei unausweichlich. Doch will man sich wohl eine Hintertür offen lassen: Die EZB dürfte signalisieren, dass das PEPP für den Fall unerwünschter Marktturbulenzen wieder aktiviert werden könne. Immerhin bleiben in dem riesigen Arsenal über den 31. März hinaus wohl noch rund 100 Milliarden Euro an ungenutzter Munition im Kampf gegen die Folgen der Krise übrig.

Der österreichische EZB-Ratsvertreter Robert Holzmann geht davon aus, dass sich bei der Inflation möglicherweise erst Mitte nächsten Jahres zeigen wird, wie stark sie zurückgeht. Die Geldpolitik bewege sich praktisch auf eine Nebelwand zu und müsse daher auf Sicht fahren. KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib verweist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der anstehenden neuen EZB-Prognosen, die erstmals bis 2024 reichen. Vor allem auf die mittlere Frist, also die Jahre 2023 und 2024, werde es ankommen. "Nähern sich die Inflationsraten hier nachhaltig den von der EZB anvisierten zwei Prozent, ergibt sich daraus möglicherweise ein Zeitfenster für Zinsschritte und eine schrittweise Einstellung der Kaufprogramme", so die Ökonomin. 2022 ist es laut EZB-Chefin Christine Lagarde für die Zinswende aber wohl noch zu früh - eine Anhebung sei sehr unwahrscheinlich, betonte die Französin mantra-artig. 

(Reuters)