Der Bund will seine Finanzen wieder ins Lot bringen. Er hat dazu ein Paket aus rund 60 Massnahmen geschnürt. Unter anderem sollen Kapitalbezüge aus der zweiten und der dritten Säule höher besteuert werden. Ab 2028 sollen so jährlich 160 Millionen Franken zusätzlich in die Bundeskasse fliessen. Der Plan sorgte für erhitzte Gemüter.

Konkret soll neu ein progressiver Steuertarif die bestehende Regel ersetzen. Bis anhin betrugen die Steuersätze für Kapitalleistungen einen Fünftel der Einkommenssteuersätze oder maximal 2,3 Prozent. In Zukunft muss mit höheren Sätzen gerechnet werden.

Alleinstehende, die 50'000 Franken beziehen, werden mit 0,19 Prozent belastet, nicht mehr mit 0,165 Prozent. Und Singles, die 2 Millionen aus den Vorsorgewerken nehmen, unterliegen einem Satz von 5,88 Prozent, nachdem sie zurzeit mit 2,3 Prozent belastet werden. Bei Eheleuten werden Kapitalleistungen aber nicht mehr zusammengezählt, wodurch diese Form der «Heiratsstrafe» entfällt, wenn der Vorschlag des Bundesrates durchkommt.

Die Progression des geplanten Tarifs bedeutet nun, dass höhere Summen proportional stärker besteuert werden als kleine Beträge. Von 50'000 Franken wandern 95 in die Bundeskasse, das sind 0,19 Prozent. Von 500'000 Franken gehen 17'595 nach Bundesbern, das sind 3,519 Prozent. Und bei einem Bezug von 5 Millionen sind es 342'600 Franken beziehungsweise 6,852 Prozent. Ganz einfach gesagt: Wer mehr bezieht, wird stärker belastet.

Doch es gibt Wege, die Progression zu brechen. Dabei werden dem angesparten Vorsorgevermögen mehrere Teilsummen entnommen. Jede dieser Teilsummen fällt dann in eine tiefere Progressionsstufe als das gesamte Vorsorgekapital. Unter dem Strich sinkt die Steuerbelastung, und zwar in Prozent und in Franken. 

Eine Option, die Progression abzufangen, ist der Bezug von Vorsorgegeld zur Finanzierung von Wohneigentum. James Mazeau, Ökonom der UBS, hat dazu Modellrechnungen erstellt. Bei einem Gesamtbetrag von 2 Millionen Franken ergibt sich das folgende Bild:

Szenario 1 Betrag Steuern nach geltendem Recht Steuern nach geplantem Recht
Einmalbezug 2'000'000 46'000 117'595
Gestaffelter Bezug      
- 1. Tranche 400'000 7577 12'595
- 2. Tranche 400'000 7'577 12'595
- 3. Tranche 1'200'000 27'600 57'595
    42'755 82'785
Differenz   3245 34'810
Steuerersparnis
durch Staffelung
  7 Prozent 30 Prozent

Tabelle: Modellrechnung zur Steuerbelastung bei einem Kapitalbezug von 2 Millionen Franken. Quelle: UBS.

In den Berechnungen sind die Effekte der Vermögenssteuer nicht miteinbezogen. Bei einem Gesamtbetrag von 500'00 Franken präsentiert sich die Lage so:

Szenario 2 Betrag Steuern nach geltendem Recht Steuern nach geplantem Recht
Einmalbezug 500'000 10'177 17'595
Gestaffelter Bezug      
- 1. Tranche 100'000 363 595
- 2. Tranche 100'000 363 595
- 3. Tranche 300'000 4977 7595
    5704 8785
Differenz   4'474 8'810
Steuerersparnis
durch Staffelung
  44 Prozent 50 Prozent

Tabelle: Modellrechnung zur Steuerbelastung bei einem Kapitalbezug von 500'000 Franken. Quelle: UBS.

Im Kern zeigen die Berechnungen dies auf: Bei einem Kapitalbezug von 2 Millionen Franken wächst die Steuerersparnis, wenn man den Gesamtbetrag aufteilt und gestaffelt bezieht - und zwar auf 34'810 Franken oder 30 Prozent im geplanten System. Im bestehenden System kann man durch eine Aufteilung des Gesamtbetrags 3245 Franken respektive 7 Prozent sparen.

Bei einem Bezug von total 500'000 Franken steigt die Ersparnis durch Staffelung ebenfalls - auf 8810 Franken oder 50 Prozent im geplanten System. Bis dato führt ein Splitting des Kapitalbezugs zu einer Ersparnis von 4'474 Franken beziehungsweise 44 Prozent.

Alles in allem wird es also attraktiver, Wohneigentum mit Vorsorgegeld zu finanzieren, sollten die neu konzipierten Steuerregeln tatsächlich umgesetzt werden. 

Jedoch: Gemäss den Modellrechnungen wird die Steuerlast als absoluter Frankenbetrag selbst durch eine Staffelung nicht auf das gegenwärtige Niveau gedrückt werden können. Sie bleibt erhöht, und man bezahlt unter dem neuen Regime so oder so mehr Steuern.

Zudem stellt sich die Frage, inwieweit ein Kapitalbezug zur Finanzierung von Wohneigentum überhaupt empfehlenswert ist, wenn die eigentliche Absicht eine tiefere Steuerbelastung ist.

Ein Vorbezug sei nicht immer die beste Option und man müsse viele Aspekte berücksichtigen, sagt UBS-Ökonom James Mazeau. «Einerseits gibt es den Kapitalschutz und die Steuerbefreiung (Einkommen, Vermögen) auf Vermögenswerten der zweiten Säule. Andererseits schränken Vorbezüge die Einkommenssteuervorteile freiwilliger Beiträge ein, da frühere Bezüge zuerst zurückgezahlt werden müssen, bevor Käufe abzugsfähig sind.» Nach einem Vorbezug aus der Pensionskasse können erst wieder steuerbegünstigte, freiwillige Einkäufe in die zweite Säule getätigt werden, wenn das vorzeitig bezogene Geld zurückbezahlt wurde.

Laut dem Versicherungsunternehmen Helvetia kann ein «vorzeitiger Bezug von Pensionskassengeldern im Alter zur Hypothek werden». Der Helvetia-Befragung zufolge hat rund ein Drittel der Personen bis 65 Jahre für die Finanzierung ihrer Immobilie Geld aus der Pensionskasse bezogen oder verpfändet. Davon planen 38 Prozent, die entstandene Vorsorgelücke nicht wieder zu schliessen. «Das birgt die Gefahr, dass die Hypothek für das Eigenheim nach der Pensionierung nicht mehr tragbar ist», sagen die Helvetia-Experten.

Auf einen Nenner gebracht: «Grosse Vorsorgelücken in Verbindung mit hohen Hypothekarvolumen sind eine toxische Kombination für die nachhaltige Tragbarkeit der Hypothek im Rentenalter», sagt Dusan Dusanovic, Leiter des Kompetenzzentrums «Vorsorge und Eigenheim» bei Helvetia

Sofern die geplanten Steuerregeln umgesetzt werden, fährt man mit einem gestaffelten Kapitalbezug steuergünstiger. Ob allein deswegen nun eher Geld aus der Vorsorge genommen und in Wohneigentum gesteckt werden soll, ist nicht gesagt. Immobilieneigentümer werden sich über die finanziellen Folgen eines solchen Schritts gründlich informieren.

 

Vernehmlassung endete, Volksabstimmung ist möglich

Die Vernehmlassung zum Entlastungspaket, das unter anderem die höheren Kapitalbezugssteuern enthält, endete am Montag. Bürgerliche Parteien begrüssen die Sparanstrengungen. Sie üben aber auch Kritik. Etwa ist die FDP nicht einverstanden mit den höheren Steuern auf Kapitalbezüge aus der zweiten und dritten Säule. SP und Grüne kritisieren das Paket grundsätzlich und lehnen es ab.

Die Landesregierung wird nun eine Botschaft an das Parlament ausarbeiten. National- und Ständerat werden anschliessend über das Paket befinden. Das Paket unterliegt dem fakultativen Referendum. Eine Volksabstimmung ist daher möglich.

 

 

Reto Zanettin
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