Zentralbanken und Fonds aus dem Nahen Osten und Asien waren nur zu gern bereit, Ländern wie Spanien, Italien und Belgien Geld zu leihen, die allesamt historisch dicke Orderbücher vorweisen konnten. Da im Laufe des Jahres weithin Zinssenkungen erwartet werden, könnten die angebotenen Renditen bald ebenfalls wieder einen Sinkflug antreten.

Für die europäischen Schatzämter ist das ein ermutigendes Zeichen in einer Phase, in der die Europäische Zentralbank nicht mehr im selben Umfang den Anleihemarkt stützt, sondern ihre Position reduziert. Für Anleger bietet Europa nach Jahren negativer Zinsen nun wieder ein Fenster für anständige Renditen.

“Internationale Käufer, insbesondere japanische und chinesische Anleger, kaufen viel weniger US-Staatsanleihen als früher und streuen ihre Bestände stärker nach Europa”, sagte Raphael Thuin, Leiter Kapitalmarktstrategien bei Tikehau Capital, das 42 Milliarden Euro verwaltet. Dazu gehörten sowohl Zentralbanken als auch Pensionsfonds.

Syndizierte Bondemissionen erreichten in dieser Woche mit 41 Milliarden Euro ein Allzeithoch und sorgten für einen Rekord bei der Ausgabe europäischer Anleihen insgesamt von mehr als 120 Milliarden Euro, wie von Bloomberg zusammengestellte Daten zeigen. Während im Januar in der Regel eine starke Nachfrage zu verzeichnen ist, deutet die Analyse der Orderbücher auf einen grösseren Appetit aus Asien und dem Nahen Osten hin.

Belgien als Paradebeispiel

Ein Beispiel dafür ist Belgien. Die Orders für die neuen 10-jährigen belgischen Anleihen waren mehr als zehnmal so hoch wie die 7 Milliarden Euro, die das Land aufnehmen wollte. Fast ein Fünftel ging an Investoren von ausserhalb Europas. Vor zwei Jahren war deren Anteil am Ausgabevolumen nur etwa ein Zehntel.

Bei den Schuldtiteln von Staaten des Euroraums mit höherem Rating war der Anteil ausländischer Investoren Ende 2022 auf etwa ein Viertel gesunken, gegenüber fast der Hälfte im Jahr 2014, wie aus EZB-Statistiken hervorgeht. Dies zeigt, dass das Potenzial für Zuflüsse aussereuropäischer Gelder enorm ist.

Eine Analyse der Strategen der Bank of America geht davon aus, dass in den kommenden Jahren bis zu 7 Billionen Euro in festverzinsliche Anlagen im Euroraum fliessen könnten, nachdem die Zinssätze der EZB über das Niveau gestiegen sind, das vor der Finanzkrise herrschte.

“Dies unterstützt unsere Einschätzung, dass das Angebot für 2024, selbst wenn es höher ist als 2023, gut absorbiert werden kann”, schrieben die Strategen der Bank, Erjon Satko und Sphia Salim. Die Transaktionen dieser Woche “deuten auf eine besonders gesunde Nachfrage hin.”

Stabiler Euro erwartet

Die Zuflüsse in den europäischen Anleihemarkt könnten einen wesentlichen Belastungsfaktor für die Gemeinschaftswährung beseitigen. Vom Stand unter der Parität zum Dollar Ende 2022 hat sich der Euro auf derzeit etwa 1,0969 Dollar erholt. Die von Bloomberg befragten Analysten gehen davon aus, dass er bis Ende des Jahres weiter auf 1,12 Dollar steigen wird.

“Der Euro wird eindeutig wieder als stabil angesehen. Vor allem von asiatischen und nahöstlichen Anlegern wird das Redenominierungsrisiko nicht mehr so eingepreist wie zwischen 2010 und, sagen wir, 2016 oder 2017”, sagt Frederik Ducrozet, Leiter des Makro-Research bei Pictet Wealth Management. “Das ist kein Thema mehr. Man kann die Möglichkeit künftiger Krisen nicht ausschliessen, aber selbst die Populisten in Italien, Frankreich und anderswo halten sich an die europäischen Regeln. Das ist positiv für die Attraktivität von Investitionen in Staatsanleihen.”

Nicht alle steigen jetzt massiv ein. Nadège Dufossé, Global Head of Multi Asset bei Candriam, bleibt einstweilen noch an der Seitenlinie und wartet lieber auf etwas höhere Renditen. Dennoch hält sie mehr von Bonds als von Aktien.

“Ein Grund, warum wir Anleihen gegenüber Aktien bevorzugen, ist, dass das grösste Risiko heute darin besteht, vom Wirtschaftswachstum enttäuscht zu werden”, so Dufossé, die als Konsens die Erwartung einer sanften wirtschaftlichen Landung ausmacht. Wenn das Wachstum enttäuschend ausfällt, “sichert der Anleihenteil Ihres Portfolios den Aktienteil ab”.

Ansturm wohl nur vorübergehend

Der Ansturm auf die Staatsanleihen könnte daher noch eine Weile anhalten, aber nicht ewig bleiben. Die Renditen dürften für Anleger allmählich weniger attraktiv weerden, wenn die EZB — wie an den Geldmärkten schon eingepreist — die Zinssätze in diesem Jahr um 140 Basispunkte senkt.

“Das Ausmass des Umschwungs von ‘höher für länger’ oder sogar ‘höher für immer’ im Oktober zu den jetzigen Erwartungen rascher Zinssenkungen hat diesen idealen Markt geschaffen”, so Lee Cumbes, DCM-Chef bei Barclays. “Die Transaktionen wirken als ein grosses grünes Licht für andere staatliche Emittenten — die Märkte wurden daran erinnert, wie interessant festverzinsliche Wertpapiere sein können.”

(Bloomberg/cash)