Zum Auftakt des 15. Institutional Money Kongresses am Dienstag in Frankfurt nahm Jan Hatzius, Chefökonom von Goldman Sachs und Leiter des globalen Investment Research bei der US-Invetmentbank, an einem Podium teil. Hier die Aufzeichnung der Statements von Hatzius zu den am Podium diskutiuerten Themen:

Wieviele Leitzinssenkungen wird es in diesem Jahr in den USA noch geben?

Jan Hatzius: Wir gehen von drei Zinssenkungen aus. Die US-Inflation wird weiter trendmässig nach unten gehen. Die Kerninflation, auf welche die US-Notenbank besonders achtet, ist von 5,6 Prozent im letzten Jahr auf 3,8 Prozent gesunken. Die Staatsverschuldung sehe ich nicht als Risiko, das Haushaltsdefizit in den USA fördert die Inflation nicht.

Hat die Börse die Zinssenkungen vorweg genommen?

Die Märkte gehen mit einer 50:50-Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die Fed die Zinsen im Sommer senken wird. Eine Zinssenkung im Sommer wäre in positiver Faktor für die Märkte. Es ist schon erstaunlich, wie sich die Märkte entwickelt haben. Denn Anfang Jahr war der Markt noch von sechs bis sieben Zinssenkungen ausgegangen, jetzt liegen die Erwartungen knapp unter drei Schritten. Die Märkte sehen die Zukunft der Weltwirtschaft positiver als vor einem Jahr.

Wie macht man Prognosen angesichts von Kriegen in der Ukraine und in Nahost?

Die Rolle von exogenen Schocks lässt sich natürlich nicht vorhersagen. Die Wahrscheinlichkeit von exogenen Schocks ist aber grösser geworden. Wir haben daher mehr Szenarien als üblich entworfen. Wir beurteilen die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA im nächsten Jahr bei 15 Prozent, ohne die Möglichkeit der erwähnten exogenen Schocks würde ich sie sogar auf nur 5 Prozent veranschlagen. Die Konsensschätzung liegt bei 35 bis 40 Prozent

In welchem Ausmass ist Künstliche Intelligenz (KI) ein Hype?

Die Künstliche Intelligenz wird ein sehr wichtiger Treiber für den Produktivitätsfortschritt sein, etwa vergleichbar mit dem Aufkommen des Internets. Allerdings haben die starken Produktivitätszahlen derzeit in den USA nichts mit dem Einfluss der Künstlichen Intelligenz zu tun. Ich erwarte KI als Treiber von Produktivitätsfortschritten auch nicht in den nächsten drei bis vier Jahren, sondern eher am Ende des Jahrzehnts und darüber hinaus.

Welche Folgen hätte eine Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten auf die Wirtschaft, auf die Börsen und auf die US-Notenbank?

Bei zwei republikanisch dominierten Kammern würde es eine Mischung aus Zöllen und Steuersenkungen geben. Allerdings hätte dies auch 'Retaliation', also Vergeltungsmassnahmen der betroffenen Länder zur Folge. Das Wachstum des Bruttoinlandproduktes der USA würde minus 0,7 Prozent betragen, es würde auch eine höhere Inflation geben. Das wiederum würde bei der Fed die Vorsicht erhöhen, im Jahr 2025 die Zinsen weiter zu senken. Kevin Warsh (Republikaner, ehemaliger Morgan-Stanley-Banker und von 2006 bis 2011 Mitglied des Board of Governors der Fed, Anm. der Red.) wird für 2026 bei einem Trump-Sieg als möglicher Nachfolger von Jerome Powell gehandelt. Ich bezweifle, dass sich Trump die Fed so leicht gefügig machen kann. Der US-Aktienmarkt könnte bei einem Trump-Sieg als unmittelbare Reaktion steigen, allerdings würden auch Öl und Gas eher hoch gehen.

Daniel Hügli
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