Der seit zwei Monaten andauernde Ausverkauf an den US-Aktienmärkten droht sich zu verstärken, da sich sowohl die Optionshändler an der Wall Street als auch die Trader mit schnellem Geld gegen den Markt wenden. Davor warnt Scott Rubner von Goldman Sachs. Er untersucht die Geldströme seit zwei Jahrzehnten. Da Indizes wie der S&P 500 unter wichtige Schwellenwerte fallen, besteht die Gefahr, dass systematische Fonds, die auf der Jagd nach Trends sind, gezwungen werden, ihre Aktienbestände aufzulösen.

Seiner Schätzung nach werden Berater für den Rohstoffhandel, die durch Long- und Short-Wetten auf dem Terminmarkt auf der Dynamik der Vermögenspreise surfen, in der nächsten Woche weltweit Aktien im Wert von 48 Milliarden US-Dollar abstossen. Selbst wenn die Benchmarks stillstehen sollten. Im Moment sind die Händler, die Millionen von Aktien bewegen können, in einer Haltung gefangen, in der sie mit dem vorherrschenden Aktientrend mitgehen müssen, um ihre Bücher abzusichern. Das heisst, sie verkaufen Aktien, wenn sie fallen, und umgekehrt, was die Kursschwankungen in beide Richtungen verschlimmert.

Was sich seit der Sommerflaute verändert hat

Die Positionierung, die als Short-Gamma bekannt ist, hat das extremste Niveau erreicht, seit Goldman die Daten im Jahr 2019 zu verfolgen begann. "Es ist ein Markt ohne Regeln, und die Preisentwicklung bis zum Ende des Quartals wird von den Kapitalflüssen und nicht von den Fundamentaldaten bestimmt", schreibt Rubner in einer Mitteilung. "Diese Dynamik bleibt auf sehr kurze Sicht negativ".

Die US-Aktien machten am Mittwoch frühere Verluste wett, als der S&P 500 sich von einem Rückgang um 0,8 Prozent erholte und den Handelstag unverändert beendete. Der Leitindex ist seit seinem Höchststand im Juli 2023 um fast 7 Prozent gefallen, da die Entschlossenheit der US-Notenbank, die Zinssätze länger hoch zu halten, Druck auf die überzogenen Bewertungen ausübte.

Auf dem Weg dorthin verlor der Index die Unterstützung der 50- und 100-Tage-Durchschnitte. Obwohl der Handel während des jüngsten Rückzugs geordnet verlief, häufen sich die notleidenden Tage im krassen Gegensatz zur Sommerflaute. In den letzten fünf Wochen ist der S&P 500 an vier verschiedenen Tagen um 1 Prozent gefallen. Dies folgte auf eine 47-tägige Serie ohne einen Rückgang um 1 Prozent bis zum 1. August - die längste Phase der Widerstandsfähigkeit seit Januar 2020.

Schwieriges technisches Umfeld an der Wall Street

Die Goldman-Einschätzung spiegelt die Ansicht des Handelsteams von Morgan Stanley wider. Die Analysten-Kollegen warnten letzte Woche vor der zunehmenden Fragilität des Marktes. Sie sehen eine ähnliche Dynamik bei der Positionierung von Optionshändlern und auf Momentum ausgerichteten sogenannten Quant-Fonds. Quant-Fonds oder Quantitative Fonds sind Investmentfonds, deren Titelauswahl durch Computer bestimmt wird. Das Programm wählt Aktien aufgrund technisch-mathematischen Kriterien aus. Berücksichtigt werden beispielsweise das Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Trendindikatoren.

Während die Fed-Politik und ein möglicher Regierungsstillstand die Schlagzeilen beherrschen, weist die Analyse der beiden Banken auf ein schwierigeres technisches Umfeld an der Wall Street hin.

Sollten sich die Aktien wieder erholen, müssten die Optionshändler dem Markt hinterherlaufen, um eine marktneutrale Haltung einzunehmen. Sie haben sie die Möglichkeit, Marktbewegungen in beide Richtungen auszulösen. Nach dem Modell von Goldman könnte eine 1 prozentige Marktveränderung zu Aktienkäufen oder -verkäufen in Höhe von 3,3 Mrd. USD führen.

(Bloomberg/cash)