Die Welt ist nicht gerecht. Da gibt der umtriebige Uhrenunternehmer Georges Kern von Breitling rund 30 Millionen Dollar aus, um mehrere Jahre als offizieller Zeitmesser der NFL – das ist die National Football League – Geschäfte zu machen und sich im amerikanischen Mainstream zu verankern.
Es ist ein weitsichtiger Deal, ein kluger Deal, den Kern da eingefädelt hat – und in Relation zur Milliarde, die LVMH in den nächsten zehn Jahren in der Formel 1 in seine Marken investiert, geradezu ein Schnäppchen.
Im Vergleich aber zur Gratiswerbung, die Musik-Megastar Taylor Swift der Schweizer Uhrenmarke Cartier mit einem einzigen Post auf Instagram beschert hat, sieht Kerns Sponsoringdeal dann wieder sehr teuer aus.
Irgendwie hängen Kerns Deal und Swifts Post zusammen. Und als Dritte im Bunde mischt am Rande auch noch die Uhrenmarke Hublot mit. Aber der Reihe nach.
Swift hat vergangene Woche auf Instagram ihre Verlobung bekannt gegeben. Der Glückliche ist – natürlich! – ihr Football-Beau Travis Kelce von den Kansas City Chiefs; er wird bald – wie alle Spieler der NFL – eine Breitling in den Teamfarben seines Clubs tragen können. Für die Bilder der Verlobung suchte sich das All-American-Sweetheart Swift ein Kleid der US-Erfolgsmarke Ralph Lauren aus. Und eben eine Uhr von Cartier, konkret eine goldene, diamantbesetzte Santos Demoiselle.
Seit dem Post ist das Internet am Durchdrehen. Swifts Streifenlook ist längst ausverkauft. Und die Nachfrage nach dem Quarzührchen, das bislang keinen Watchionista ernsthaft interessierte, explodiert.
Suchvolumen auf Chrono24: Plus 1700 Prozent
Das Problem: Die Santos Demoiselle ist ein Vintage-Modell, das Cartier bereits vor Jahren aus dem Sortiment genommen hat. Doch jetzt wollen alle die Uhr haben. Chrono 24, die weltweit grösste Plattform für gebrauchte Uhren, verzeichnete in der Spitze der letzten Tage ein Plus von 1700 Prozent bei den Suchen nach der «Santos Taylor», wie die Uhr bereits genannt wird. Momentan liegt das Plus bei immer noch sagenhaften 375 Prozent. Die Preise steigen.
Und die Nachfrage schwappt bereits auf andere Modelle der Santos-Kollektion (plus 24 Prozent) über. Selbst die generellen Suchen nach Cartier haben sich um plus 29 Prozent erhöht, was für die zweitgrösste Schweizer Uhrenmarke nach Rolex besonders wertvoll sein könnte. Kurz: Cartier – Teil von Richemont – hat den Jackpot geknackt. Ohne jegliche Kosten.
«Einer der wertvollsten Posts aller Zeiten»
Jo Dietrich, Co-Gründer des Beratungsunternehmens Zeam, schätzt, dass der Swift-Post für Cartier einen Wert von rund 20 Millionen Dollar hat. Das bedeutet: Hätte die Marke die gleiche Aufmerksamkeit via klassische Werbung erzielen wollen, hätte sie dafür rund 20 Millionen Dollar investieren müssen.
Cartier hat also fast so viel geschenkt bekommen, wie Breitling ins NFL-Exposure investiert hat. Und wem hat Cartier das zu verdanken? Dem künftigen Breitling-Träger Kelce, der die Uhr – so lauten jedenfalls die Spekulation – nach seiner Taylor geschenkt hat. Eine tollere Story kann man sich fast nicht ausdenken.
Der Post von Swift wurde mehr als 36 Millionen Mal gelikt. Damit gehört er zu den Top Ten der meistgelikten Instagram-Posts. Er dürfte «einer der wertvollsten Posts aller Zeiten sein», ist Dietrich überzeugt.
Uhren-Mélange bei den Kansas City Chiefs
Und Hublot? Die Marke aus dem Luxusreich von LVMH hat kurz nach Breitling ebenfalls eine NLF-Partnerschaft angekündigt. Patrick Mahomes, Quarterback bei den Kansas City Chiefs, also im Team des Swift-Verlobten Kelce, wird Botschafter für Hublot. Die Schweizer Uhren-Mélange im Mittleren Westen ist damit perfekt.
Cartier schweigt, Thun gibt Gas
Übrigens: Das von Taylor Swift beglückte Richemont-Maison Cartier hat bislang nicht auf den Hype um die Santos Demoiselle reagiert. Die Marke schweigt vornehm. Bereitet man bereits die Neulancierung der Uhr vor? Oder hat man das Spiel mit der Viralität nicht durchschaut?
Dafür gibt die Stadt Thun Gas. Auf Instagram schlägt sie Swift und Kelce mit Witz und Engagement vor, die Flitterwochen am Thunersee zu verbringen.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Handelszeitung.