79 Rappen: So viel ist der Dollar gegenüber dem Franken aktuell noch wert. Damit notiert die US-Währung auf dem tiefsten Stand seit 2011. Auch gegenüber anderen Währungen wie dem Euro oder dem Yen hat die US-Währung einen ähnlichen Sturzflug hingelegt.
Die Einbusse von zwölf Prozent seit Januar kommt von verschiedenen Faktoren. Grösstenteils hat es mit dem Vertrauen in die Währung zu tun. Dazu beigetragen hat einerseits die Zollpolitik von Donald Trump, die weltweit eine grosse Unsicherheit verursacht. Aber auch die hohe Verschuldung des Staates, politische Querelen, Druck auf die Notenbank und eine schwächelnde Konjunktur sorgen für Vertrauensverlust.
Santosh Brivio, Ökonom bei der Migros Bank, sieht dunkle Gewitterwolken aufziehen, auch mit Bezug auf die Schweiz: «Die USA sind unser bedeutendster Einzel-Exportpartner», erklärt Brivio. Zusammen mit dem US-Importzoll verteuere die Dollarschwäche Schweizer Exporte in die USA um 22 Prozent. Ausserdem sei die USA auch ein gewichtiger Importpartner. «Die USA zeichnen sich für rund 8 Prozent des gesamten Einfuhrwertes verantwortlich», erläutert er.
Schweizer Unternehmen mit hohem Exportanteil in den Dollarraum müssen sich warm anziehen. Das betont auch Christian Gattiker, Chief Investment Strategist bei Julius Bär: «Die Auswirkungen der schwächeren US-Währung sind besonders bei exportorientierten Schweizer Unternehmen mit grosser US-Präsenz spürbar.»
Besonders deutlich wird der Effekt bei Unternehmen, die auf der Einnahmenseite stark vom Dollar abhängen, ihre Kosten aber überwiegend in Franken oder Euro haben. Das heisst: Wenn sie in der Schweiz produzieren und ihre Kosten in Franken verrechnen - und die Waren im Dollarraum absetzen. Diese Konstellation führt zu einem spürbaren Margendruck.
In den anstehenden Halbjahreszahlen börsenkotierter Unternehmen dürfte sich dieser Wechselkurseffekt niederschlagen. Laut Gattiker sind insbesondere Unternehmen aus den Branchen Gesundheits- und Konsumgüterunternehmen, Luxusgüterhersteller oder Industrieunternehmen betroffen.
Die Schwergewichte
So mussten Roche und Novartis diese Woche bereits Kurszielsenkungen für Ihre Aktien hinnehmen, da der tiefe Dollarkurs gegenüber dem Schweizer Franken auf das Unternehmensergebnis drücken dürfte. Bei Novartis entfallen rund 40 Prozent des Umsatzes auf die USA, bei Roche sind es gar 48 Prozent. «Wenn wir alle übrigen Schätzwerte unverändert lassen, hat sich der stark negative Währungseffekt, der sich über die letzten Monate herauskristallisiert hat, spürbare Folgen für das Kursziel», begründete Vontobel-Analyst Stefan Schenider beide Kurszielanpassungen.
Roche habe in Vorbereitung auf die Halbjahresergebnisse die negativen Währungseffekte auf den Konzernumsatz erhöht und rechne damit, dass diese von zuvor minus 1 Prozent auf minus 4 Prozent für das erste Halbjahr 2025 belasten dürften. Laut Analyst Schneider könnte die aktuelle Dollarschwäche das Kernbetriebsergebnis um minus 5 Prozent für die ersten sechs Monate und sogar minus 8 Prozent fürs ganze Geschäftsjahr 2025 drücken.
Auch Nestlé erwirtschaftet rund ein Drittel des Umsatzes in Dollar. Der Lebensmittelmulti hält zwar an seinem Ziel für organisches Umsatzwachstum fest, muss jedoch konstatieren, dass die Währungseinflüsse 2025 einen spürbar negativen Effekt auf die Geschäftsentwicklung haben. Die britische Bank Barclays reduzierte ihre Gewinnwachstumsprognosen für Nestlé. Finanzchefin Anna Manz sagte mit Blick auf die Erstquartalsergebnisse, dass die Kombination aus schwachem US-Dollar und starkem Franken die Profitabilität belaste.
«Trotz globaler Diversifikation führen Währungsverschiebungen zu Ergebniseffekten, auch wenn das Unternehmen versucht, diese über Hedging-Strategien teilweise auszugleichen», meint Stratege Gattiker von Julius Bär zur Situation von Nestlé. Laut Branchenexperten ist es für das Wachstum des Konzerns entscheidend, die Preise so zu erhöhen, dass die Produkte nach wie vor erschwinglich sind.
Finanzinstitute wie die UBS sind von der Dollar-Thematik ebenfalls betroffen. Die Grossbank rechnet im Kerngeschäft Vermögensverwaltung mit Gegenwind durch die Währungsentwicklung. An der Investorenkonferenz von Goldman Sachs im Juni sagte Finanzchef Todd Tuckner, die Dollarschwäche wirkte sich insbesondere auf die Division Global Wealth Management aus, deren Kosten im Gegensatz zu den Erträgen zu einem beträchtlichen Teil in Schweizer Franken anfielen. «Daher erwarten wir für Global Wealth Management, dass die Abschwächung des Dollars einen negativen Einfluss auf die zugrundeliegenden operativen Kosten in Höhe von etwa 150 Millionen Dollar haben wird.» Im Investmentbanking erwarte er zudem auf einer einzelnen Position eine Bewertungskorrektur von 75 Millionen Dollar.
Ein weiterer «Dollar-sensibler» Kandidat ist Swatch. Der Uhrenkonzern produziert seine Produkte grösstenteils in der Schweiz, wodurch so gut wie allen Kosten in Schweizer Franken anfallen. In den letzten zwei Geschäftsjahren kosteten negative Wechselkurseffekte den Konzern knapp 750 Millionen Franken. Der Konzern sei es gewohnt, «bestraft» zu werden angesichts der starken hiesigen Währung, wie CEO Nick Hayek im Dezember sagte. Der US-Markt bleibe jedoch wichtig für Swatch, betont Julius Bär-Experte Gattiker, nicht zuletzt für Touristenkäufe. Die Aktie von Swatch befindet sich auf dem tiefsten Stand seit dem Jahr 2003
Besser läuft es dem Branchennachbarn Richemont. Immerhin hat die Aktie in diesem Jahr 13 Prozent gewonnen, obwohl auch Richemont von der Dollarschwäche betroffen ist. Die typischen Luxusgüterhersteller generieren zwei Drittel ihrer Umsätze in Dollar und in Dollar-gekoppelte Währungen. Die Bank Vontobel reduzierte ihre Gewinnschätzungen für Swatch und Richemont wegen des abgeschwächten Dollars bereits im April.
Auch in der Industrie sind Konzerne ABB, Belimo, Accelleron oder SFS betroffen. Für Metallverarbeiter senkte Octavian diese Woche das Kursziel in Anbetracht des Währungsgegenwinds, der auch in der zweiten Jahreshälfte anhalten dürfte. ABB dagegen dürfte davon profitieren, dass der Konzern in Dollar bilanziert und weniger als fünf Prozent des Gesamtumsatzes in Franken generiert.
Gattiker erwähnt auch Georg Fischer und Stadler Rail. Die Firmen dürften den Währungseffekt je nach Lieferkettenstruktur ebenfalls spüren. Bei Stadler Rail belasteten allein die Währungsentwicklungen das Ergebnis im Jahr 2022 mit 140 Millionen Franken. Mit gezielten Strategien wie Standortausbau in den USA, Natural Hedging und finanziellen Absicherungen will der Zugbauer den Effekt abfedern.
Holcim dagegen habe seine Dollar-Abhängigkeit über den Spin-off des US-Geschäfts, Amrize, markant verringert. Zuvor entfielen doch fast ein Drittel des Umsatzes auf Nordamerika, während es nun nur noch ein kleiner Prozentsatz ist. Somit entkommt der Zementkonzern der Problematik zu einem grossen Teil.
Wenige Gewinner
Ob der Dollar weiter fällt, ist umstritten. Experten von Julius Bär betonen, dass die Entwicklung stark von der Zinsschere zwischen Fed und SNB sowie der Risikostimmung abhänge. Laut ihrer Prognose dürfte die Dollarschwäche in nächster Zeit etwas abebben auf 0,82, sofern sich die Risikoaversion gewissermassen normalisiere. Mittelfristig dürfte sich der Wechselkurs Dollar/Franken auf 0,76 abschwächen – mit erhöhter Volatilität je nach geopolitischem Umfeld und SNB-Politik. Dennoch könnte eine unerwartete Erholungsrally durchaus für Kursgewinne von mehr als 20 Prozent resultieren, was mehrmals in der Vergangenheit der Fall war.
Gattiker betont, dass die Absicherung gegen Währungsrisiken mit zunehmender Volatilität bei Zinsen, geopolitischen Spannungen und globalen Kapitalflüssen an Bedeutung gewinne. Nicht alle Firmen seien gleich gut aufgestellt. «Während Grossunternehmen meist über ausgebaute Treasury-Abteilungen verfügen, ist das bei kleineren und mittleren Firmen weniger systematisch umgesetzt», führt er aus.
Für Schweizer Unternehmen, die seit Jahrzehnten in einer Hartwährung im Inland operieren, sei die Bedeutung eines professionellen Währungsrisikomanagements enorm. Mögliche Mittel sind natürliche Hedges, also Produktion und Kosten in derselben Währung wie der Umsatz, oder sogenannte derivative Hedging-Instrumente. Also Verträge mit Banken, oder anderen Unternehmen, die bereit sind, das Risiko zu übernehmen, um sich gegen mögliche Geldverluste absichern.
Dass eine Firma mit einem vermeintlich grossen Währungsexposure an der Börsen dennoch erfolgreich sein kann, beweist Lindt&Sprüngli. Regelmässig warnen Analysten von einer Abschwächung des Dollars bezüglich des Schokoladeproduzenten, so bereits im April Vontobel und Barclays. Doch der Markt zeigt sich, wenn man den Rekordstand der Aktie betrachtet, nur wenig beeindruckt von diesen bedenken.