In einem durch Risiken gekennzeichneten geopolitischen Umfeld benötigten die Währungshüter die Feuerkraft des letzten noch offen Anleihenkaufprogramms PEPP, sagte das Ratsmitglied der EZB der Nachrichtenagentur Reuters. Letztendlich sei es aber Aufgabe von Regierungen, wie der von Italien, ihre Anleihegläubiger zu beruhigen. Zuletzt hatte es Stimmen im EZB-Rat gegeben, die eine Diskussion über eine baldige Beendigung der Reinvestitionen in dem billionenschweren PEPP-Programms forderten.
«Ich sehe keinen Sinn darin, das Ende vorzuverlegen, vor allem jetzt nicht, wo wir aufgrund der Ereignisse in Israel und Palästina neue Unsicherheiten haben», sagte Stournaras. «Daher müssen wir unsere Flexibilität bewahren und wenn nötig handeln.»
Mit dem «Pandemic Emergency Purchase Programme» (PEPP) wollten die Währungshüter die Finanzierungsbedingungen für Staaten, Unternehmen und Haushalte während der Corona-Pandemie günstig halten. Aktuell werden auslaufende Anleihen aus dem Programm noch vollumfänglich ersetzt. Diese PEPP-Reinvestitionen sollen noch bis mindestens Ende 2024 fortgesetzt werden. Für EZB-Chefin Christine Lagarde ist das Programm auch eine «erste Verteidigungslinie» zur Sicherung einer effizienten Geldpolitik.
Anleger verlangten zuletzt höheren Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen, seit die Regierung in Rom im letzten Monat ihre Haushaltsdefizitziele angehoben hat. Damit könnte die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auf einen Konflikt mit der EU-Kommission zusteuern. An den Finanzmärkten war die Risikoprämie für italienische Staatsanleihen im Vergleich zur zehnjährigen deutschen Bundesanleihe vor kurzem erstmals seit einem halben Jahr wieder über die Marke von zwei Prozentpunkten gestiegen.
«Die Situation in Italien gibt im Moment keinen Anlass zu besonderer Sorge», sagte Stournaras. «Vorausgesetzt, die italienische Regierung berät sich mit der Europäischen Kommission und versichert Investoren, dass sie sich weiterhin an die bestehende Vereinbarung mit der Europäischen Kommission zum Haushaltsdefizit halten wird.»
Einer Erhöhung der Mindestreserve, die Banken bei der Notenbank halten müssen, steht Stournaras skeptisch gegenüber. Er wies darauf hin, dass die Kreditkosten seit der letzten EZB-Zinssitzung aufgrund höherer Anleiherenditen bereits gestiegen seien. «Im Moment sehe ich keinen Grund, warum wir die Geldpolitik jetzt straffen sollten, denn eine Erhöhung der Mindestanforderungen würde eine Straffung der Geldpolitik bedeuten», sagte er.
Eine Erhöhung der Mindestreserveanforderungen würde dem Finanzsystem Liquidität entziehen. Da die Mindestreserven zudem nicht verzinst wird, würde damit auch der Umfang der Zinszahlungen sinken, die die 20 nationalen Zentralbanken der Eurozone den Geschäftsbanken in ihrem Land zahlen, wenn diese überschüssige Gelder bei ihnen parken.
(Reuters)