Durch das am 6. Dezember 2024 endgültig ausgehandelte Abkommen könnte die grösste multilaterale Freihandelszone der Welt mit mehr als 715 Millionen Verbrauchern entstehen - mit rund 450 Millionen Menschen in der EU und 270 Millionen in Südamerika. 2024 betrug das Handelsvolumen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten 112,3 Milliarden Euro. Zudem soll ein modernisiertes EU-Mexiko-Freihandelsabkommen abgeschlossen werden.
Gerade angesichts der Politik von US-Präsident Donald Trump, der die Welt mit Strafzöllen überzieht, gilt das Abkommen mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay als geostrategisch wichtig. Aber sicher ist das Inkrafttreten des Vertrages mit Mercosur trotz jahrzehntelanger Verhandlungen immer noch nicht.
Abbau von Zollsätzen
Nach dem von der EU ausgehandelten Abkommen würden die Mercosur-Länder ihre Zölle auf 91 Prozent der EU-Exporte, darunter auch auf Autos, über einen Zeitraum von 15 Jahren abschaffen. Diese betragen derzeit bis zu 35 Prozent. Die EU würde ihre Zölle auf 92 Prozent der Mercosur-Exporte über einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren schrittweise abbauen. Mercosur verpflichtet sich zudem, Zölle auf landwirtschaftliche Erzeugnisse der EU abzuschaffen, beispielsweise 17 Prozent auf Wein und 20 bis 35 Prozent auf Spirituosen.
In dem politisch besonders heiklen Agrarbereich wird die EU für bestimmte Produkte ihre Einfuhrquoten erhöhen, etwa für Rindfleisch um 99.000 Tonnen. Der Mercosur-Block räumt der EU eine zollfreie Quote von 30.000 Tonnen Käse ein. Darüber hinaus gibt es in der EU Quoten für Geflügel, Schweinefleisch, Zucker, Ethanol, Reis, Honig, Mais und Zuckermais sowie für den Mercosur für Milchpulver und Säuglingsnahrung. Zum Schutz regionaler Spezialitäten sichert das Abkommen 350 geografische Angaben, um die Nachahmung bestimmter traditioneller EU-Lebensmittel wie Parmigiano Reggiano-Käse zu verhindern.
Das Zustimmungsverfahren
Das Abkommen muss vom Europäischen Parlament, dem EU-Rat und den nationalen Parlamenten gebilligt werden. Die EU-Kommission hatte die Ratifizierung bisher nicht eingeleitet, weil es starken Widerstand vor allem von Frankreich, aber auch Italien und Polen gab. Die nötige Zweidrittel-Mehrheit im Rat war deshalb nicht gesichert.
Beim Mercosur-Abkommen gibt es zwei Teile: Für das Inkrafttreten des reinen Handelsteils würde bereits die Zustimmung von EU-Rat und -Parlament ausreichen, denn die Handelszuständigkeit liegt bei der EU, nicht bei den Mitgliedstaaten. Dies betrifft den grössten Teil des Abkommens. Den allgemeinen politischen Fragen müssen dann auch die nationalen Parlamente zustimmen.
Das sagen die Befürworter
Vor allem Länder wie Deutschland und Spanien unterstützen das von der EU-Kommission ausgehandelte Abkommen. Sie sehen dieses als wichtig an, um die Abhängigkeit etwa von China zu reduzieren. Denn auch die vier südamerikanischen Staaten verfügen über wichtige Rohstoffe. Das Abkommen sieht vor, dass auf den Export dieser Rohstoffe wie Lithium keine Abgaben erhoben werden. Ausserdem soll der verstärkte Handel mit Südamerika die Probleme ausgleichen, die Trump mit seinen hohen US-Strafzöllen verursacht. Die Erfahrung aus früheren Abkommen etwa mit Südkorea oder Kanada zeigt, dass der Handel durch Freihandelsabkommen deutlich zunimmt.
Nach Angaben der Kommission ist das Mercosur-Abkommen das umfangreichste, das sie je vereinbart hat. Es beseitigt nach Angaben der Brüsseler Behörde jährlich über vier Milliarden Euro an Zöllen auf EU-Exporte. Als besonderer Vorteil gilt, dass Mercosur noch nicht viele Handelsverträge abgeschlossen hat - was der EU zugutekommen könnte. Festgelegt wird nämlich auch, dass sich EU-Unternehmen zu denselben Bedingungen wie örtliche Anbieter um öffentliche Aufträge bewerben können.
Die Mercosur-Staaten gelten angesichts der veränderten geopolitischen Lage zudem als verlässliche, demokratische Partner. Die Bundesregierung und Wirtschaftsverbände betonen, dass die Angst vor südamerikanischen Agrarprodukten völlig überbewertet wird. Das zusätzliche Rindfleisch mache lediglich 1,6 Prozent des EU-Rindfleischkonsums und 1,4 Prozent des Geflügelsverbrauchs aus, sagt die Kommission. Sie verweisen auf bereits bestehende Importmöglichkeiten von 200.000 Tonnen Rindfleisch aus den Mercosur-Staaten pro Jahr.
Das sagen die Kritiker
Widerstand kommt von der Agrar-Lobby sowie Umweltschützern. Die Organisation Friends of the Earth etwa bezeichnet das Abkommen als klimaschädlich, da es zu einer verstärkten Abholzung der Wälder in Südamerika führen würde. Die Mercosur-Länder würden mehr landwirtschaftliche Erzeugnisse und Rohstoffe verkaufen, die oft aus Waldgebieten wie dem Amazonas stammen. Das Abkommen enthält zwar Bestimmungen zum Umweltschutz, die aber aus Sicht von Nichtregierungsorganisationen nicht verbindlich sind.
Frankreichs Regierung, die innenpolitisch unter Druck steht, hat betont, dass sie das Abkommen nur unterzeichnen könne, wenn die Interessen der Landwirte geschützt würden. Auch Italien und Polen haben Vorbehalte wegen ihrer bedeutenden Agrar-Sektoren. Landwirte kritisieren, das Abkommen würde zu billigen Importen von Waren führen, die nicht den Umwelt- und Lebensmittelsicherheitsstandards der EU entsprechen. Die Europäische Kommission erklärt dagegen, dass die EU-Standards gar nicht gelockert würden.
Was bietet die Kommission an?
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte bisher eine Protokollerklärung zum Schutz der Landwirtschaft. Dies lehnen Kommission und etwa auch Deutschland ab, weil ein Protokoll mit den Mercosur-Staaten nachverhandelt werden müsste. Kanzler Friedrich Merz hatte Macron bei dem deutsch-französischen Ministerrat in Toulon vergangene Woche erneut gemahnt, den Weg für das Abkommen zu ebnen. Die Alternative ist, dass die EU-Kommission eine EU-interne Zusicherung gibt. Tatsächlich gibt es bereits Schutzmassnahmen, um Bauern in der EU bei möglichen gravierenden Marktstörungen zu helfen.
(Reuters)