Der US-amerikanische Grossinvestor Warren Buffett pirscht sich offenbar immer mehr an europäische Firmen heran. Den ersten Schritt machte er bereits Ende April.  Vor sechs Wochen gab Buffett der Londoner Financial Times (FT) ein ausführliches Interview. Eine seiner Aussagen: "Ich bin bereit, etwas in Grossbritannien zu kaufen."

Das Interview in der FT war ein strategischer Move, um sich und seine Investmentfirma, Berkshire Hathaway, in Europa für Firmenübernahmen anzubieten. Denn an der Aktionärsversammlung in Omaha legte Buffett nach: "Ich würde mir wünschen, dass sie öfter an Berkshire denken, wenn Unternehmen zum Verkauf stehen".

Zwar sollte man meinen, dass Buffett mit seinem grossen Namen keine Werbung nötig hätte. Doch in Europa geniesst er nicht die gleiche Priorität im Mergers & Acquisitions Markt (M&A) wie in den USA. Dort gehen Verkäufer aktiv auf ihn zu und nennen ihm einen Preis, wenn eine Firma zum Verkauf steht. 

Verkauf von Anleihen gegen Euro und Pfund

Dass Buffett mit seinem Vorhaben, europäische Firmen aufzukaufen, bald ernst machen könnte, zeigt die Tatsache, dass Berkshire Hathaway derzeit im grossen Stil Obligationen in Europa verkauft. Das berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg diese Woche unter Berufung auf eine mit der Materie vertrauten Person. Demnach habe die Investorengruppe Banken damit beauftragt, Anleihen mit 20 bis 30-jähriger Laufzeit gegen Euro und Pfund zu verkaufen. Damit hätte Buffett den zweite Schritt, Akquisitionen in Europa vorzubereiten, hinter sich gebracht. Das Bargeld wäre da.

Dass der US-amerikanische Starinvestor gerade jetzt einen verstärkten Blick auf europäische Firmen wirft, erscheint durchaus schlüssig. Erstens, weil die Querelen um den Brexit sowie die allgemeine Schwäche europäischer Volkswirtschaften den europäische Aktienmarkt vergleichsweise günstiger machen für US-amerikanische Investoren. Buffett äusserte zuletzt desöfteren Bedauern darüber, dass er (zu) wenig gut geführte Unternehmen sehe, die er übernehmen könne. Viele seien schlicht zu teuer. Zweitens ist das Umfeld zur Kapitalaufnahme derzeit attraktiv wie selten zuvor.

Ryanair im Visier von Buffet?

Doch welche Firmen hat Buffett im Visier? Auch wenn das Orakel von Omaha regelmässig feste Kriterien bei der Akquisition von Firmen hochhält – nur in Firmen investieren, deren Geschäftsmodell man verstehe, ist eine davon – ist es stets schwierig seine nächsten Deals vorauszusagen. Noch schwieriger gestaltet es sich, seine Vorhaben in Europa abzuschätzen, wo seine Ziele weniger klar sind.

Bloomberg versuchte es trotzdem und führte ein Screening durch mit dem Ziel, potenzielle Übernahme-Kandidaten für Berkshire Hathaway zu eruieren. Eines der (Ausschluss-)Kriterien ist etwa die Wahrscheinlichkeit einer Firma, dass sie von einer möglichen Labour-Regierung übernommen wird. Ein anderes wichtiges Kriterium ist die Marktbewertung der Unternehmen: 5 bis 50 Milliarden Dollar sollte sie betragen. Darunter lohnt sich ein Investment für Berkshire Hathaway kaum. Diese Firmen sind laut Bloomberg Übernahme-Kandidaten von Berkshire Hathaway:

Atlas Copco

Schwedischer, international agierender Industriekonzern. Umsatz: rund 86 Milliarden Schwedischen Kronen (9 Milliarden Franken). 

Metso

International tätiger Technologiekonzern mit Sitz in Finnland. Tätig in der Bergbau-, Bau-, Papier- und Erdölindustrie tätig. Umsatz: ca. 3,2 Milliarden Euro.

Mondi

Österreichisches Verpackungs- und Papierunternehmen. Umsatz: knapp 7,5 Milliarden Euro.

RyanairIrische Billigfluggesellschaft, Nach Passagierzahlen die zweitgrösste Fluglinie Europas nach der Lufthansa. Umsatz: 7,5 Milliarden Euro.

 

Auf der Liste finden sich keine Schweizer Firmen. Was nicht heisst, dass Buffett kein Auge auf den Schweizer Markt werfen könnte. Vor elf Jahren hatte Buffett einen Auftritt am IMD in Lausanne. cash fragte ihn in der Medienrunde, ob er eine Schweizer Uhrenfirma übernehmen wolle. Da zeigte Buffett seine Rolex am Handgelenk und signalisierte unverhohlenes Interesse an der Uhrenfirma: "Sie haben meine Telefonnummer. Leider haben sie noch nie angerufen".

Mit etwas mehr Ernsthaftigkeit führte er dann noch aus: "Wir lieben es, gute und von Familien kontrollierte Unternehmen zu kaufen - auch in der Schweiz".