Seit Mitte März sind in der Schweiz Restaurants und Bars geschlossen. Sie dürfen ihre Türen nun kommenden Montag unter strengen Auflagen wieder öffnen. Das hat für die Branche schwerwiegende Konsequenzen; es wird mit milliardenhohen Einbussen gerechnet. Lieferdienste oder Take-Away-Angebote haben die Geldsorgen kaum gemildert.
Auch die Hoffnung auf einen finanziellen Zustupf aus den Epidemie-Versicherungen schien sich zu zerschlagen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte nämlich Corona als Pandemie eingestuft und dieses Risiko ist in den wenigsten Policen gedeckt.
Helvetia schlägt Vergleich vor
Doch nun geht Helvetia mit einer Vergleichslösung auf die Gastrobetriebe zu, wie sie am Dienstag mitteilte. Firmen, die eine Epidemie-Versicherung mit Pandemie-Ausschluss abgeschlossen und sich so beispielsweise gegen Hygieneprobleme wie Salmonellenbefall versichert haben, sollen zumindest mit einem Pauschalbetrag entschädigt werden.
Die Pauschale deckt den Angaben zufolge für die Zeit der Betriebsschliessung und anschliessend bis Ende Mai die Hälfte der ungedeckten Kosten und des entgangenen Gewinns. Der Betrag werde anhand des Jahresumsatzes errechnet und sofort bezahlt, hiess es. Wie viel Geld Helvetia dazu in die Hand nehmen muss, ist noch offen.
Doch das Angebot stosse bei den betroffenen Firmen auf Akzeptanz, wie erste Reaktionen laut Helvetia gezeigt hätten. Eine Stellungnahme des Branchenverbandes Gastrosuisse steht indes noch aus.
Rechtssicherheit schaffen
Helvetia betont, dass sie unabhängig von der Rechtslage und ohne Präjudiz bezahlen werde. Denn am Grundsatz, dass eine Pandemie ein nur beschränkt versicherbares Risiko sei und wegen des Ausschlusses in der Epidemie-Versicherung keine Versicherungsdeckung besteht, halte man fest.
Mit dem nun vorgeschlagenen Vergleich will die Helvetia aber Rechtssicherheit schaffen. Wer das Angebot annimmt, stimmt gleichzeitig einer Vertragsanpassung zu.
Es soll in den allgemeinen Bedingungen präziser zwischen hygienischen Risiken wie Salmonellen und Epidemie- oder Pandemierisiken unterschieden werden. Damit will die Helvetia auch langwierige Gerichtsverfahren verhindern.
Mobiliar-Chef Markus Hongler erwartet über alle Sparten hinweg Kosten in Höhe von 350 bis 400 Millionen Franken, wie er Anfang April an der Bilanzmedienkonferenz vorrechnete. "Wir machen als in der Schweiz agierender Versicherer keinen Unterschied, ob es sich bei Corona um eine Pandemie oder eine Epidemie handelt", sagte er.
Die in der Schweiz deutlich kleinere Bâloise rechnet derweil mit einer Corona-bedingten Belastung im mittleren zweistelligen Millionenbereich, wie die Basler vergangene Woche kommunizierten. "Der grösste Teil unserer Kunden hat eine Deckung", erklärte Bâloise-Chef Gert De Winter im Gespräch mit AWP.
"Wie hoch die Zahlungen tatsächlich ausfallen werden, können wir heute noch nicht sagen, da noch nicht alle Schäden final verarbeitet sind", sagte De Winter weiter. Im Gegensatz zum Vergleichsvorschlag der Helvetia werden Zahlungen bei der Bâloise nicht pauschal abgegolten. Vielmehr gelten zur Berechnung die individuellen vertraglichen Vereinbarungen.
Suche nach Branchenlösung
Für künftige Pandemie-Ereignisse sucht die Versicherungsbranche gemeinsam mit der Politik nach einer Pool-Lösung, denn ein derart grosses und kaum abschätzbares Risiko kann eine Gesellschaft nicht alleine versichern. "Vielmehr braucht es eine Branchenlösung mit Einbezug der Öffentlichen Hand, eine sogenannte Private Public Partnership", fordert auch Gert De Winter.
"Wir müssen schauen, dass wir so rasch wie möglich eine Lösung finden. Denn die Kosten einer möglichen zweiten Corona-Welle werden die Privatversicherungen wirtschaftlich nicht mehr tragen können." Als Beispiele führte De Winter die bereits in der Schweiz existierende Pool-Lösung für Nuklearrisiken und den Terror-Pool in Belgien an.
(AWP)