Damit gilt nach einigem Hin und Her wieder die ursprüngliche Frist, was am Montag an den Finanzmärkten für Erleichterung und steigende Aktienkurse sorgte. Trump hatte am Freitag mit neuen Zöllen und einem Abbruch der Verhandlungen gedroht, dies jetzt aber zurückgenommen. Hauptgrund dafür scheint ein Telefonat mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gewesen zu sein. Sie hatte um mehr Zeit gebeten, aber auch schnelle Verhandlungen zugesichert. Bundeskanzler Friedrich Merz forderte ein grösseres Selbstbewusstsein der Europäer. Er drohte den USA auch offen mit möglichen Schritten gegen amerikanische Technologiefirmen.

Von der Leyen teilte via Kurznachrichtendienst X mit, sie habe ein gutes Telefonat mit Trump geführt. Europa sei bereit, die Gespräche zügig und entschlossen voranzutreiben. «Um eine gute Vereinbarung zu erzielen, brauchen wir die Zeit bis zum 9. Juli.» EU-Handelskommissar Maros Sefcovic wollte nach Angaben eines Sprechers der europäischen Staatengemeinschaft noch im Laufe des Tages mit US-Handelsminister Howard Lutnick telefonieren.

«Wir sind keine Bittsteller», sagte CDU-Chef Merz beim WDR-Europaforum auf der Digitalmesse Republica in Berlin. Europa sei wichtig für US-Unternehmen. «Machen wir uns nicht kleiner, als wir sind.» Die EU habe gegenüber den USA einen Überschuss in der Handelsbilanz bei Waren, aber nicht bei Dienstleistungen. «Wir schonen im Augenblick die amerikanischen Tech-Unternehmen auch steuerlich sehr, das muss nicht so bleiben, das kann man ändern.» Er wolle dies nicht, nötig seien Verhandlungen mit Ruhe und Augenmass, aber auch mit Konsequenz.

Merz ergänzte, Trumps Äusserungen sehr ernst zu nehmen, auch wenn sie «nicht unbedingt eine lange Haltbarkeitsdauer» hätten. Die US-Politik habe massive Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Trump hatte sich zuletzt weniger konfrontativ als noch am Freitag geäussert. Er sagte Journalisten am Sonntagabend, er habe dem Wunsch nach mehr Zeit für Verhandlungen stattgegeben. Von der Leyen habe ihm schnelle Gespräche zugesagt.

Erleichterung an der Börse

Die Finanzmärkte reagieren derzeit sehr sensibel auf die vielen Wendungen in dem Konflikt. Am Montag eroberte der deutsche Aktienindex Dax die 24.000-Punkte-Marke zurück und lag damit in der Nähe seines Rekordhochs. Der Euro kletterte auf den höchsten Stand seit Ende April.

«Wir sollten aufhören, über jedes Stöckchen zu springen», sagte Konjunkturexperte Stefan Kooths vom Kieler Wirtschaftsforschungsinstitut IfW der Nachrichtenagentur Reuters. «Das Vorgehen von Trump ist erkennbar Verhandlungstaktik. Was auch immer die USA machen werden, es fällt ihnen am stärksten auf die eigenen Füsse. Man sollte einen kühlen Kopf bewahren.»

Unsicherheit ist Gift für Wirtschaft

Von der Unsicherheit in der Handelspolitik sind zahlreiche Branchen betroffen, darunter der Maschinen- und Anlagenbau. Drei von vier Betrieben berichten, dass die weltweit gestiegene Unsicherheit nach den Zollankündigungen am 2. April einen starken oder sogar sehr starken Einfluss auf das eigene Unternehmen hat, wie am Montag aus einer Umfrage des Branchenverbands VDMA unter 562 Firmen hervorging.

Der Chefökonom der Hamburg Commercial Bank, Cyrus de la Rubia, sagte Reuters, es habe schon ein Anruf gereicht, um wieder mehr Zeit für Verhandlungen zu bekommen. «Die EU tritt offensichtlich selbstbewusst genug gegenüber den USA auf und macht keine Anzeichen, sich ins Boxhorn jagen zu lassen. Vermutlich hat von der Leyen Trump auch klargemacht, dass die EU ebenfalls einige Folterwerkzeuge im Keller hat.» Die US-Handelspolitik sei verlässlich unzuverlässig. «Die Unsicherheit über die künftige Zollpolitik wird bleiben.» Ökonom Thomas Gitzel von der Liechtensteiner VP Bank sagte, es stelle sich die Frage, wie verlässlich ein Abkommen mit den USA wäre. «Die USA verspielen derzeit Vertrauen.»

Trump hatte der EU am Freitag mit Warenzöllen von 50 Prozent ab dem 1. Juni gedroht. «Unsere Gespräche mit ihnen führen zu nichts.» Trump hatte im April die wichtigsten Handelspartner mit Sonderzöllen überzogen. Ein Teil wurde aber ausgesetzt. Besonders stark betroffen ist China. Volker Treier, Aussenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), sagte, ein Zollsatz von 50 Prozent würde Unternehmen schwer treffen und ein fatales Signal für die internationale Handelsordnung senden. «Umso wichtiger ist es, dass die EU nun einen kühlen Kopf bewahrt und geschlossen auftritt.

Wirtschaftsministerin Katherina Reiche forderte eine Abrüstung. Es brauche weitere Verhandlungen. »Wir müssen einen gemeinsamen Weg finden«, sagte die CDU-Politikerin bei einer »Handelsblatt«-Veranstaltung. Die USA blieben der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Deswegen müsse der Konflikt gelöst werden. Ein Handelsstreit schade immer beiden Seiten und damit auch den USA. Ein Sprecher der Bundesregierung ergänzte, es bleibe bei der Position, dass es am Ende niedrige oder gar keine Zölle geben sollte.

Der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange, geht davon aus, dass Trump am Ende die Zölle nicht »völlig aufgeben« wird. Der SPD-Politiker kündigte im ZDF an, noch am Montag nach Washington fliegen zu wollen. Die Zeit bis zum 9. Juli werde man für Verhandlungen nutzen. Sollte es keine Einigung geben, werde die EU Gegenzölle verhängen. Das gelte auch, wenn Trump etwa bei zehn oder 15 Prozent bleibe. »Weil es ist völlig ungerechtfertigt, was im Moment in den USA uns angedroht wird.»

(Reuters)