Milde Sommer sind in Deutschland in den letzten Jahren immer seltener geworden. Grüne Wiesen färben sich zunehmend gelb, tropische Mückenarten, die eigentlich in Asien beheimatet sind, machen sich breit. Die Sommertemperaturen steigen immer häufiger auf über 30 °C.

Falsch Vorbereitet

Vorbereitet ist Deutschland auf die Hitze nicht: Nur etwa jeder zehnte Haushalt besitzt eine Klimaanlage — in den USA sind es etwa 90 Prozent — und fast ein Drittel der Bevölkerung ist über 60 Jahre alt. Je höher das Alter, desto grösser das Risiko für den Körper. Diese “neue Normalität” hat die Bundesrepublik scheinbar über Nacht eingeholt: Während sich die Debatten im vergangenen Jahr vor allem darum drehten, wie wir im Winter ohne russisches Erdgas heizen, wurde der notwendigen Kühlung im Sommer kaum Beachtung geschenkt.

Rund 1'600 Menschen sind in diesem Jahr laut Schätzungen des Robert-Koch-Instituts an den Folgen der Hitze gestorben. In absoluten Zahlen hatte Deutschland im Jahr 2022 nach Italien und Spanien die dritthäufigsten hitzebedingten Todesfälle in Europa zu beklagen. Nach jahrelanger Trockenheit kämpfen viele Regionen um ausreichend Wasser für Haushalte, Industrie und Landwirtschaft — mit drastischen Massnahmen. In Hannover beispielsweise droht den Bewohnern, die in diesem Sommer an heissen Tagen ihren Rasen wässern, ein Bussgeld von bis zu 50'000 Euro.

Nach einer bisher kühlen und nassen Witterungsphase im August werden für die kommenden Tage in einigen Regionen Deutschlands wieder steigende Temperaturen erwartet. Wissenschaftler geben auch längerfristig keine Entwarnung: Für die Mitte dieses Jahrhunderts wird für Frankfurt ein ähnliches Klima prognostiziert wie für das Gebiet um das heutige Toulouse. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird Berlin Mittelitalien ähneln.

Die Aufholjagd beginnt

Ein Teil des Problems besteht darin, dass die deutschen Städte nicht für die Hitze ausgelegt sind. Zentrale Plätze sind oft zubetoniert, verglaste Gebäude — wie die im Frankfurter Bankenviertel — stehen zu dicht beieinander, und nur wenige Städte bieten ausreichend Verschattung durch Bäume.

Die Regierung versucht jetzt, im Eiltempo einiges nachzuholen. Letzten Monat verabschiedete sie ein Gesetz, das die Infrastruktur der Städte widerstandsfähiger machen soll, sowohl bei der Planung neuer Gebäude als auch bei der Nachrüstung im Bestand. Kommunen sollen nun analysieren, wie sich der Klimawandel auf sie auswirken könnte, und die möglichen finanziellen Auswirkungen berechnen. Bislang gibt es jedoch nur vage Angaben darüber, wie solche Pläne umgesetzt werden könnten.

“Das Problem an dem Klimawandel ist einfach, dass die Politik zu reaktiv ist und immer nur auf Extremereignisse reagiert”, sagt Claudia Kemfert, Leiterin des Bereichs Energie, Verkehr und Umwelt beim DIW Berlin. “Klimaanpassung wird in der Breite gar nicht mitbedacht und spielt in der Städteplanung derzeit kaum eine Rolle.”

Verschiedene Strategien

Auf lokaler Ebene arbeiten die Stadtverwaltungen an einer Vielzahl von Strategien, um ihre Städte zu kühlen: Entsiegelung, mehr Grün, mehr Schatten. Mancherorts werden bereits dunkle Pflastersteine durch hellere, weniger hitzeabsorbierende ersetzt.

Einige Orte gehen mit gutem Beispiel voran. In Berlin gibt es in der Rummelsburger Bucht viele bepflanzte Fassaden, begrünte Dächer und Sickerbereiche. Wie ein Schwamm nehmen solche Flächen starke Regenfälle auf und verhindern, dass die Kanalisation überlastet wird. Die unterirdischen Auffangbecken in der Gegend ermöglichen auch die Speicherung und Wiederverwendung von Regenwasser.

Mannheim hat für die diesjährige Bundesgartenschau eine sieben Kilometer lange Grünfläche angelegt. Die Stadt plant nun, einen Teil dieser “Frischluftschneise” auch nach dem Ende der Veranstaltung im Oktober aufrechtzuerhalten.

Sowohl Frankfurt als auch Berlin haben bereits Subventionen für nachhaltige Projekte wie Dachgärten und begrünte Fassaden eingeführt.

Direkt geht auch

Daneben arbeitet der Bund an direkteren Strategien, um den Bürgern zu helfen, sich in Hitzezeiten zu schützen. Vor zwei Wochen verkündete das Bundesgesundheitsministerium den ersten Hitzeschutzplan und versprach, die Zahl der hitzebedingten Todesfälle des letzten Jahres auf etwa 4'000 zu halbieren. Der erste Schritt war die Veröffentlichung eines Plakats, das den Menschen rät, “im Schatten” zu bleiben und “leichte Kost” zu essen.

“Wenn die Hitze drei oder vier Tage anhält, sind die Innentemperaturen nicht mehr kühl und die Menschen schlafen nicht gut, was eine schwere Belastung darstellen kann”, sagte Andreas Matzarakis, ein Forscher für Humanbiometeorologie beim Deutschen Wetterdienst, der eng mit Ministerien und Instituten an Hitzeaktionsplänen gearbeitet hat. “Das gilt selbst für Menschen mit guter Anpassungsfähigkeit, kann aber für vulnerable Gruppen oder diejenigen, die draussen arbeiten müssen, noch viel schlimmer sein.”

Frankreich als Beispiel

Bei der Ausarbeitung der Strategie hat sich das Bundesgesundheitsministerium von Frankreich inspirieren lassen. Dort wurde bereits 2003 ein Hitzewarnsystem eingerichtet, nachdem im August beim “Jahrhundertsommer” mehr als 15'000 Menschen starben. Dieses System wird jedes Jahr zwischen Juni und Mitte September hochgefahren und hat zu einem Rückgang der hitzebedingten Todesfälle geführt.

Wenn die Temperaturen in Deutschland weiter steigen, werden Klimaanlagen und Wärmepumpen — die auch zur Kühlung von Räumen beitragen können — unweigerlich Teil der Lösung sein. In Anbetracht der Abwärme von Klimaanlagen sollten diese jedoch nur als “letztes Mittel” eingesetzt werden und Krankenhäusern, Schulen und Pflegeeinrichtungen vorbehalten bleiben, mahnte Christine Lemaitre, Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen.

Lemaitre wies auch darauf hin, dass sich nicht nur die Infrastruktur ändern muss, sondern auch die Art, wie die Menschen leben.

“Vielleicht brauchen die Menschen längere Pausen in der Mittagszeit und längere Arbeitszeiten am Abend”, schlug sie vor, angelehnt an das spanische Vorbild der Siesta am Mittag. “Ein Freibad zum Beispiel kann im Sommer nicht mehr um 19 Uhr schliessen”, fügte sie hinzu. “Wir müssen unseren Lebensstil an die neuen Klimabedingungen anpassen.”

(Bloomberg)