Holcim spaltet sein Nordamerika-Geschäft als eigenständige Gesellschaft mit dem Namen Amrize ab. Jeder Holcim-Aktionär erhält dabei in Form einer sogenannten Sachdividende eine Amrize-Aktie pro Holcim-Aktie. Da es also kein klassischer Börsengang ist, gibt es auch keinen Zeichnungspreis wie bei einem klassischen Börsengang.

Die Amrize-Aktien fallen kurz nach dem Börsengang bei 46 Franken unter 43 Franken. Damit liegt der effektiv gehandelte Kurs deutlich unter dem am Freitag festgelegten Referenzpreis von 46,08 Franken.

Amrize fast gleich viel wert wie Rest-Holcim

Am Tag des Spin-offs wird die Holcim-Aktie also "ex Amrize" gehandelt. Das bedeutet: Der Wert der abgespaltenen Amrize-Einheit wird vom Holcim-Wert abgezogen und die Aktionäre haben nun anstelle einer alten Holcim-Aktie eine neue Holcim und eine neue Amrize-Aktie in ihrem Depot, die zusammen den Wert einer alten Holcim-Aktie ergeben sollten.

So viel zur Theorie. In der Praxis aber peilen die verantwortlichen Manager mit dem Schritt eine insgesamt höhere Marktbewertung an. Und es ist gut möglich, dass Holcim + Amrize nach der Abspaltung zusammen mehr wert sind als Holcim zuvor als Gesamtkonzern - zumindest nach einer gewissen Zeit.

Über den Marktwert - und damit den Aktienpreis - der beiden getrennten Konzerne wurde seit Monaten spekuliert. Am (heutigen) Freitag, dem letzten Handelstag vor der Abspaltung, ging die Holcim-Aktie mit einem Plus von 2,1 Prozent bei 93,68 Franken aus dem Handel. Damit brachte der Gesamtkonzern eine Marktkapitalisierung von 53 Milliarden Franken auf die Waage.

Mit dem Referenzpreis von 46,08 Franken für die Amrize-Aktie entfällt 49,2 Prozent des bisherigen Konzernwerts auf das neue US-Unternehmen, obwohl Amrize nur knapp 40 Prozent des Geschäfts des Gesamtkonzerns ausmacht. Damit bringt Amrize eine Marktkapitalisierung von 26,1 Milliarden Franken auf die Waage. Für die Holcim-Aktie wurde ein Referenzpreis von 47,60 Franken festgelegt.

Damit ist der Referenzpreis im Rahmen der Erwartungen von Analysten ausgefallen. Diese hatten eine Aufteilung des Werts zwischen Amrize und der restlichen Holcim im Verhältnis von 45:55 oder von 50:50 geschätzt.

Start an der Schweizer Börse

Die Aktien von Amrize werden am Montag sowohl an der Schweizer Börse SIX als auch - ein paar Stunden später an der New Yorker Börse NYSE kotiert. Dort findet auch die grosse Eröffnungszeremonie statt. Der ehemalige Holcim- und jetzige Amrize-Boss Jan Jenisch wird in der Kathedrale des Kapitalismus auf dem berühmten Balkon der New Yorker Börse die Eröffnungsglocke läuten, wie es aus Unternehmenskreisen heisst. Jenisch ist der Architekt von Amrize und feiert damit die Selbstständigkeit seines "Babys".

Auch die Hauptmusik des Handels mit Amrize-Aktien dürfte künftig an der NYSE spielen. Die Unternehmensleiter und Investoren hoffen dabei auf einen deutlichen Anstieg der Bewertung.

Höhere Bewertung in USA?

Denn Amrize dürfte ähnlich hoch bewertet werden wie vergleichbare Unternehmen in der US-Bauindustrie. Und diese Bewertung liegt höher als bei europäischen Konzernen, weil Amrize als fokussiertes US-Infrastruktur-Wachstumsunternehmen gilt.

Amrize will von den gigantischen Infrastrukturprogrammen der US-Regierung profitieren. Diese fördert die Ansiedlung von Fabriken mit hunderten Milliarden Dollar. Zudem fährt Amrize unter der Leitung von Jan Jenisch, der als Konzernchef den Einstieg von Holcim ins Bauzuliefergeschäft mit der Übernahme von Dach- und Fassadenfirmen vollzogen hat, mit der Einkaufstour fort. Jenisch bezeichnete Aufspaltung als nötig, um das Potential gänzlich auszuschöpfen und voll durchzustarten.

Konkret will Amrize in den nächsten Jahren im Schnitt um 5 bis 8 Prozent wachsen und damit 2028 einen Umsatz von 14,2 bis 15,9 Milliarden Dollar erreichen. Allerdings harzt das Geschäft in Nordamerika seit kurzem, da sich die Konjunktur unter der Politik von Donald Trump aktuell verlangsamt.

Dennoch sind die Wachstumsziele von Amrize höher als die des restlichen Holcim-Geschäfts. Die verbleibende Holcim ohne das Nordamerika-Business will den Umsatz aber immerhin auch um 3 bis 5 Prozent bis 2030 steigern. Damit würde die restliche Holcim bis 2028 einen Umsatz von bis zu 19,8 Milliarden Franken erreichen. Auch Analysten sehen bei der neuen Holcim durchaus Potential.

Doppeltkotierung mit Vor- und Nachteilen

Zudem erhalten die beiden Firmen mit dem Schritt ein zielgruppengerechteres Investorenprofil. Viele US-Anleger etwa wollen nur in US-Firmen investieren; sie können jetzt ihr Geld direkt in Amrize anlegen.

Dass die Amrize-Aktie auch in der Schweiz kotiert werden hat einen Hauptgrund: Hiesige Fonds-Investoren können dadurch bei der abgespaltenen nordamerikanischen Firma investiert bleiben, auch wenn sie keine Aktien in den USA halten dürfen. Andernfalls müssten diese Investoren bei Amrize aussteigen, was auf den Aktienkurs drücken würde.

Auf der anderen Seite besteht das Risiko, dass eine doppelte Börsenkotierung zu geringeren Handelsvolumina für die US-Aktie am jeweiligen Handelsplatz führen könnte, als wenn der Titel ausschliesslich an der US-Börse kotiert wäre.

Die Amrize-Aktien werden hierzulande ab Montag unter dem Tickersymbol "AMRZ" direkt in den bedeutendsten Schweizer Aktienindex SMI aufgenommen. Damit sind dort neu 21 Titel im SMI enthalten. Dies bleibt laut SIX - aus technischen Gründen - mindestens bis zum 19. September so. Dann nimmt die SIX ihre jährliche Indexrevision vor, womit der SMI wieder nur 20 Titel haben wird.

(AWP)