Die Reform in den Niederlanden soll dazu beitragen, die Herausforderungen einer alternden Bevölkerung und eines sich wandelnden Arbeitsmarktes zu bewältigen. Obwohl das Land nur 7 Prozent der Wirtschaft der Eurozone ausmacht, ist das Rentensystem am Markt ein überproportional grosser Akteur. Nach Angaben der Europäischen Zentralbank verfügt es über mehr als die Hälfte aller Anleiheeinlagen in der Eurozone. Seine europäischen Anleihebestände belaufen sich auf insgesamt fast 300 Milliarden Euro.
Bereits Anfang des Jahres warnte die niederländische Zentralbank vor Risiken für die Finanzstabilität. Die Komplexität der Mechanismen macht eine Abschätzung des Ausmasses der Störungen schwierig. «Es gibt so viele Unbekannte und variable Faktoren», sagte Ales Koutny, Leiter des Bereichs Internationale Staatsanleihen bei Vanguard. »Jeder weiss, dass dieses Ereignis bevorsteht, aber niemand weiss, wie es letztendlich ausgehen wird. Alle versuchen einfach, sich so gut wie möglich darauf vorzubereiten.»
In den letzten Wochen hat ein Index für die zukünftige Volatilität 30-jähriger Euro-Swaps zugelegt, was laut ING-Strategen teilweise auf die Reform zurückzuführen ist. Die Umstellung wirkt sich auch auf die Euro-Finanzierungskosten aus.
Dass die geplante Reform für so viel Bewegung sorgt, liegt in der Art und Weise, wie niederländische Pensionsfonds ihre Portfolios gegen Zinsschwankungen absichern. Bislang haben sie sich stark auf langfristige Swaps verlassen. Damit sollte sichergestellt werden, dass sie unabhängig von der Entwicklung der Zinsen über genügend Barmittel verfügen, um die Rentner zu bezahlen.
«Die Nervosität wird sehr gross sein»
Im Rahmen der Umstellung auf das sogenannte Lebenszyklus-Investieren werden die Beiträge jüngerer Arbeitnehmer stärker in risikoreichere Anlagen wie Aktien fliessen, wodurch der Bedarf an den langfristigen Absicherungen sinkt. Die Ersparnisse älterer Mitglieder werden sich eher auf sicherere Wertpapiere wie Anleihen konzentrieren, aber auch die entsprechenden Absicherungen werden geringer.
Am 1. Januar sollen 36 Fonds auf das neue System umstellen, die übrigen folgen in Tranchen alle sechs Monate bis Januar 2028. Die erste grosse Welle wird ihre Absicherungen vermutlich zu einem Zeitpunkt auflösen, zu dem die Liquidität in der Regel gering ist. Investmentbanken und Broker könnten folglich Schwierigkeiten haben, Verkäufer und Käufer zusammenzubringen — was das System lahmlegen würde.
Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage bei Swaps mit längerer Laufzeit ist bereits jetzt erheblich. Angesichts der Vielzahl von Pensionsfonds, die ihre Swap-Positionen auflösen müssen, könnten Marktteilnehmer wie Hedgefonds zunächst abwarten, bevor sie sich auf die andere Seite des Handels begeben. Dies könnte zu einer raschen «Versteilerung» der Kurve führen, sagte Rohan Khanna, Leiter der europäischen Bondanalyse bei Barclays.
Wie sich die Situation im Januar entwickeln wird, «kann niemand vorhersagen, aber die Nervosität wird sehr gross sein», so Khanna. «In solchen Situationen kann der Markt illiquide oder unruhig werden.»
Erschwert werden die Vorbereitungen durch eine politische Krise in den Niederlanden - nach dem Zusammenbruch der Regierung und der darauf folgenden Übergangsregierung wird es zu Neuwahlen kommen. Zu denen, die zurückgetreten sind, gehörte auch der für die Rentenreform zuständige Sozialminister Eddy van Hijum.
Es wurde erwartet, dass er den Pensionsfonds ein zusätzliches Jahr Zeit geben würde, um ihre Zinssicherungsgeschäfte nach dem Übergang zu reduzieren. Dieser Plan dürfte zwar nicht beeinträchtigt sein. Eine für diese Woche geplante Parlamentsdebatte über die Renten könnte jedoch verschoben werden, wie ein Sprecher des Ministeriums sagte.
Nachfrage nach Schuldtiteln
Zudem stellt sich die Frage, wie sich diese Wende zum Jahreswechsel auf die Nachfrage nach langfristigen Anleihen auswirken wird. Für die Emission neuer Anleihen ist Januar in der Regel eine der geschäftigsten Perioden.
In den vergangenen vier Monaten sind die Renditen sowohl deutscher als auch französischer 30-jähriger Anleihen gestiegen. Angesichts der zunehmenden fiskalischen Spannungen liegen sie nahe Mehrjahreshochs. Frankreich ist wegen seines Haushalts in eine weitere politische Krise geraten, und die Regierung könnte noch in diesem Monat gestürzt werden.
ABN Amro schätzt, dass die grössten Risiken des Rentensektors in deutschen, französischen und niederländischen Schuldtiteln liegen. Der Nachfragerückgang könnte laut Strategen wie Sonia Renoult Druck auf die Regierungen ausüben, bei der Emission von Anleihen auf kürzere Laufzeiten umzusteigen. Dadurch könnten sie stärker den Zinsschwankungen ausgesetzt sein, da sie so ihre Schulden häufiger refinanzieren müssen.
Investoren wie Steve Ryder, mitverantwortlich für die Verwaltung von festverzinslichen Vermögenswerten bei Aviva, sagen, dass sie angesichts der zu erwartenden Turbulenzen zum Jahresende jegliches Engagement in längerfristigen europäischen Anleihen vermieden werden. «Wenn alle gleichzeitig umsteigen, würde dies für die Händler, die das Risiko tragen müssen, zu einer heiklen Angelegenheit werden», sagte er.
Pensionsfonds könnten indessen beginnen, langfristige Absicherungen vorzeitig aufzulösen. Das würde das Risiko von Engpässen verringern - die Fonds müssen jedoch davon überzeugt sein, dass sie über ausreichende Puffer zur Absicherung gegen potenzielle Verluste verfügen.
Ausserdem gewährt die niederländische Regierung für Absicherungen eine einjährige Anpassungsfrist. Je länger sich die Pensionsfonds jedoch Zeit lassen, desto länger würden sie übermässig abgesichert sein, was insbesondere für jüngere Arbeitnehmer relevant wäre.
Die niederländische Zentralbank erklärte, sie werde den Übergang weiterhin beobachten, sei jedoch zuversichtlich, dass die einjährige Frist «den Pensionsfonds ausreichend Flexibilität bietet, um ihre Portfolios in geordneter Weise anzupassen».
(Bloomberg)