Die Finanzmarktaufsicht Finma sieht bei vielen Schweizer Banken zu lockere Kriterien bei der Vergabe von Hypothekarkrediten. Die Behörde erkennt regulatorischen Verbesserungsbedarf, da diverse Finanzinstitute den in der Selbstregulierung gewährten Spielraum übermässig ausnutzen. Dies geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Aufsichtsmitteilung hervor.
Den Immobilienmarkt und das Hypothekargeschäft betrachtet die Finma weiterhin als eines der zentralen Risiken für den Schweizer Finanzplatz, betont Claudio Saputelli, Immobilien- und Hypothekarexperte bei UBS gegenüber cash.ch. «Mittelfristig werden die hiesigen Banken mit bislang lockeren Belehnungskriterien ihre Richtlinien anpassen müssen. Das heisst generell, der Spielraum der Banken bei der Kreditvergabe wird weiter eingeschränkt.»
Das neue Vorgehen der Finma spüren Hypothekarnehmende, erklärt Florian Schubiger von der Vermittlungsplattform hypotheke.ch, auf Anfrage. «Die Problematik ist den Banken bewusst. Wir konnten in den letzten sechs Monaten eine Verschärfung der Vergabekriterien für Hypotheken beobachten», so Schubiger.
Wer ein Einfamilienhaus oder ein Stockwerkeigentum kaufen will, muss je nach Bank mehr Eigenkapital einbringen. Nach der gängigen Tragbarkeitsregel dürfen die jährlichen Kosten für das Eigenheim maximal ein Drittel des Bruttojahreseinkommens ausmachen. Um die Höhe der Hypothekarzinsen zu beziffern, wird für die Tragbarkeitsrechnung nicht mit dem effektiv vereinbarten Zinssatz, sondern mit einem kalkulatorischen Zinssatz von 5 Prozent gerechnet. Mit diesem «Puffer» wird sichergestellt, dass die Hypothek auch bei steigenden Zinsen bedient werden kann.
Steigen die Margen auf den Hypotheken?
Bereits das Regelwerk Basel III, wonach die Banken das Hypothekargeschäft mit mehr Eigenkapital unterlegen müssen, hat in der zweiten Jahreshälfte 2024 je nach Schuldnersituation zu einem Anstieg bei den Margen auf der Saron- und der Festhypothek geführt. Berechnungen von hypotheke.ch zeigen einen Anstieg von rund 20 Basispunkten.
Mit der anstehenden Regelanpassung durch die Finma steht eine erneute Margenerhöhung bei den Banken vorerst nicht im Mittelpunkt. Erst wenn die Finma stärker interveniert, schlägt sich das auf die Margen durch. Dies, weil es bei den Banken zu Mehrkosten durch aufwendigere Prüfungen bei der Kreditvergabe, der Eigenheimbewertung oder dem Monitoring kommt, erklärt Saputelli von der UBS.
Die neuen Einschränkungen bei den Kriterien zur Kreditvergabe könnten mittelfristig aber zu einem weniger starken Wettbewerb unter den Banken führen, weil die vermeintlich «attraktiveren» Angebote wegfallen. Grundsätzlich gilt: Weniger Konkurrenz bedeutet tendenziell steigende Preise – auch bei Hypotheken.
Muss oder soll die Hypothek schneller amortisiert werden?
Gemäss Finma sollen die Schweizer Bankinstitute künftig segmentspezifische und risikogerechte Vorgaben zur Belehnung und Amortisation festlegen. Die Regulierungsbehörde lässt diesbezüglich offen, ob private Immobilienbesitzer schneller amortisieren müssen.
Hypothekarschulden müssen gemäss Regelwerk der Aufsichtsbehörden innerhalb von 15 Jahren auf zwei Drittel des Belehnungswertes reduziert werden. Wer zum Beispiel beim Kauf eines Wohneigentums für 2 Millionen Franken eine Hypothek von 1,6 Millionen Franken aufnimmt (das entspricht einer Belehnung von 80 Prozent), muss über den fünfzehnjährigen Zeithorizont pro Jahr 18'666 Franken amortisieren. Die Hypothek beträgt dann nach Abschluss aller Amortisationszahlung 1,32 Millionen Franken respektive 66 Prozent des Kaufpreises von 2 Millionen Franken.
Was passiert mit den Immobilienpreisen?
Basierend auf einer Finma-Umfrage schätzt die UBS, dass der maximale Kreditbetrag für selbst genutztes Wohneigentum bei gegebenem Einkommen bei Kreditgebern mit den lockersten Vergabekriterien rund 40 Prozent höher liegt als bei Instituten mit den strengsten Vorgaben.
Ein restriktiveres Vorgehen der Banken und eine gleichzeitige Senkung der Toleranz für Abweichungen vom mittleren Belehnungswert könnte deshalb eine sinkende Nachfrage nach Eigenheimen nach sich ziehen oder das Preiswachstum spürbar dämpfen. Dies gilt insbesondere für teure, zentrumsnahe Gemeinden, erläutert der UBS-Experte Saputelli. Wie stark dieser Nachfrageabschwung ausfällt, kann noch nicht quantifiziert werden. Das Angebot an neuem Wohneigentum bleibt wegen der Zuwanderung knapp. Deshalb schlägt eine Abschwächung der Nachfrage nicht so schnell auf die Preise durch.
Problematisch dürfte es erst werden, wenn die Schweizer Wirtschaft im Falle eines schwachen Wachstums in eine Rezession fällt. «Die Tragbarkeit bleibt das Sorgenkind, da neue Hypothekarschuldnerinnen und -schuldner immer stärker am oberen Limit laufen. Das heisst, die Leute haben generell Mühe, die Tragbarkeitsrichtlinien zu erfüllen», meint der UBS-Experte.
Die Selbstregulierung der Banken
Im Schweizer Hypothekargeschäft wenden die Banken zwei von der Finma als aufsichtsrechtlichen Mindeststandard anerkannte Richtlinien an, die unter dem Begriff der Selbstregulierung zusammengefasst werden.
Die «Richtlinien betreffend Mindestanforderungen bei Hypothekarfinanzierungen» regeln die erforderlichen Eigenmitteln und die Mindestamortisation. Die «Richtlinien für die Prüfung, Bewertung und Abwicklung grundpfandgesicherter Kredite» enthalten Vorgaben zur Tragbarkeitsprüfung und zur Bewertung der belehnten Liegenschaften. Diese beiden Richtlinien bilden die Grundlage für die individuellen bankinternen Kreditvergaberegeln.
In begründeten Fällen können die Kreditinstitute jedoch von den selbst auferlegten Regeln abweichen – im Fachjargon als «Exceptions to policy» oder kurz ETP bezeichnet. Diese ETPs können die Tragbarkeits-, Belehnungs- oder Amortisationskriterien betreffen. Eine ETP respektive Ausnahme wird beispielsweise gewährt, wenn ein stark steigendes Einkommen des Hypothekarnehmers erwartet wird oder dieser über erhebliche Vermögenswerte verfügt.