Was haben die Aktionäre von Idorsia in den letzten dreieinhalb Jahren gelitten nach einem Kursverlust von fast 80 Prozent seit dem Allzeithoch von 33,48 Franken im Januar 2020 mit negativen Schlagzeilen um verfehlte Umsatzziele, Finanzierungsprobleme und klinischen Daten, die nicht immer wunschgemäss ausfielen. Dies, obwohl das Biotech-Unternehmen solide an den Hausaufgaben gearbeitet hat: Medikamente entwickeln, klinische Studien durchführen, Zulassungen bei Arzneimittelbehörden einreichen und Produkte lancieren. Stefan Schneider, Analyst beim Investmenthaus Vontobel kommt denn auch zum Schluss, dass das Unternehmen grundsätzlich die Strategie richtig umsetzt und die Ansagen seit dem Spin-Off von Actelion erfüllt hat.

Die gestern vorgelegten Studiendaten des potenziellen Medikamentes Aprocitentan haben den Idorsia-Valoren am Dienstag zuerst zu einem Kurssprung von 5,4 Prozent verholfen, ehe die Aktien am späteren Nachmittag noch mit einem Plus von 1,2 Prozent gehandelt wurden. Ob dies der ultimative Befreiungsschlag ist, darf für den Moment bezweifelt werden. DreiFaktoren dürften kurzfristig weiterhin auf dem Aktienkurs lasten. 

Erstens sind Biotech-Aktien derzeit alles andere als en vogue. Seit dem Höchst Ende 2021 geht es mit den Biotech-Aktien an der Nasdaq abwärts. Auch in der Schweiz sieht es nicht viel besser aus und es ist kein Wunder, dass bei Idorsia die Leerverkäufer immer wieder für Schlagzeilen und sinkende Kurse sorgen. 

Der zweite Grund für die enttäuschende Aktienkursentwicklung ist die finanzielle Situation des Biotech-Unternehmens. Erst jüngst sprang Firmenchef Jean-Paul Clozel als "Retter" mit 75 Millionen Franken in die Bresche, der das Unternehmen bis zur nächsten Finanzierung – voraussichtlich Ende Juli – über Wasser hält. Dann ist vorgesehen, dass die Firma ihr Asiengeschäft ohne China für bis zu CHF 400 Millionen verkaufen kann – aber dieser Deal ist noch nicht in trockenen Tüchern. Dieses Geld würde Idorsia dann gerade bis ins 2024 bringen – und dann wäre die nächste Finanzierung fällig.

Dazu meint ein Marktbeobachter, der nicht namentlich genannt werden will, dass Idorsia die Finanzierung über die letzten zwei Jahre zu optimistisch angegangen ist und nicht genügend vorgesorgt respektive zu wenig Gelder aufgenommen hat, um sich längerfristig solider aufzustellen.

Schneider verweist in einem dritten Punkt darauf, dass die Umsatzerwartungen bei Idorsia zu optimistisch waren. "Die Vermarktung bei Idorsia verläuft alles andere als wie geplant, da das Schlafmittel Quviviq - Idorsia's potenziell umsatzstärkstes Produkt - das Umsatzziel klar verfehlt hat. Sowohl Anfang 2022 als auch 2023 hat Idorsia die Umsatzziele für das Gesamtjahr schon im ersten Quartal zusammengestrichen. Entsprechend fehlt nun dieser Cashflow und das Unternehmen steht mit dem Rücken zur Wand." Der angestrebte Verkauf des Asiengeschäfts dürfte dabei selbst im optimalen Fall nur die kurzfristigen Finanzierungsprobleme lösen. Längerfristig ist nicht klar, wie hoch der Finanzbedarf ist, da sich Quviviq zumindest langsamer als ursprünglich erwartet entwickelt. "Es braucht da einfach mehr Klarheit, damit wir wieder optimistischer sind - obwohl das Potenzial eigentlich da ist", so Schneider weiter. 

Als weiterer Punkt sei zudem angefügt, dass es Idorsia noch nicht gelungen ist, eine nicht-verwässernde Finanzierungsrunde auf die Beine zu stellen. Letztes Jahr wollte man die zukünftigen Einkünfte (Royalties) von Aprocitentan verkaufen – was nicht geglückt ist. Und auch wenn nun der Verkauf des Asiengeschäftes gelingen sollte – nach der Finanzierungsrunde ist deshalb vor der nächsten Finanzierungsrunde. 

Sollten die Probleme bei der Finanzierung allerdings gelöst werden, so steht höheren Kursen bei Idorsia nichts im Weg. Ein positiver Treiber könnte dabei der Bluthochdruck-Senker Aprocitentan sein. Allerdings dürfte dies nicht von heute auf morgen geschehen. Die Studienresultate von Aprocitentan waren laut Schneider gut – aber bedurften der Interpretation. Dies hilft vor allem dann nicht, wenn man in Verhandlungen mit potenziellen Käufern für die entsprechenden zukünftigen Einkünfte steht. Immerhin sind die zusätzlichen Daten, die gestern Abend präsentiert wurden, im Markt gut aufgenommen worden. Diese helfen, die Datenlage von Aprocitentan zu verbessern – was, so Schneider, dann doch noch den Weg für eine nicht-verwässernde Finanzierung ebnen könnte – so wie das eigentlich bereits letztes Jahr angedacht war. 

Trotz der finanziellen Schwierigkeiten und den Herausforderungen im Marketing bleibt der Vontobel-Analyst weiter an seiner Empfehlung "Halten" mit einem Kursziel von 12 Franken. Das entspricht einem Aufwärtspotenzial von 70 Prozent.

Thomas Daniel Marti
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