Bei Dutzenden von Arzneimittel-Herstellern, die bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoff weiter hinten liegen, macht sich Ernüchterung breit: Der US-Pharmariese Pfizer und sein deutscher Partner BioNTech bereiten die Einführung der ersten Corona-Impfung vor, Konkurrent Moderna ist ihnen dicht auf den Fersen.
Das Fenster für die Entwicklung eines erfolgreichen Impfstoffs könnte sich schliessen, noch bevor es am Markt wirklich viele Anbieter gibt. Angesichts der beginnenden Impfungen wird es für die einige Nachzügler schwieriger, für ihre Studien genügend Freiwillige anzuwerben. Wer viele Monate im Rückstand ist, könnte vom riesigen US-Markt ausgeschlossen sein, der normalerweise auch der lukrativste ist.
Hohe Messlatte
Das Problem für die Nachzügler ist die hohe Wirksamkeit der Impfstoffe von Pfizer und Moderna, die nach Unternehmensangaben bei rund 95 Prozent liegt. Sie schürt die Hoffnung, dass die Welt bald über effektive Waffen verfügen wird, um eine Ansteckung zu stoppen. Auch die britische AstraZeneca scheint einen weiteren vielversprechenden Anwärter zu haben - trotz der Verwirrung um die Ergebnisse.
Die aussergewöhnliche Wirksamkeit der Impfstoffe der Erstentwickler erhöht aber auch die Messlatte und verkleinert den Kreis der Kandidaten, die erfolgreich sein werden. An einem Corona-Impfstoff arbeiten auch Merck, Novavax sowie Sanofi und sein Partner GlaxoSmithKline, und noch mehr als 200 andere Forschungsteams.
Ein Problem besteht darin, dass es schwierig werden kann, Freiwillige dazu zu bringen, sich für klinische Studien anzumelden oder in diesen zu bleiben. Die Herausforderung wird sich im Verlauf des Winters und zu Beginn des Frühjahrs noch verschärfen, da bedeutende Teile der Bevölkerung wahrscheinlich ein Anrecht auf Impfung haben.
Johnson & Johnson: Ergebnisse im Januar
"Wenn Sie sich für eine Studie angemeldet haben oder planen, sich für eine Studie anzumelden, und Sie plötzlich eine E-Mail erhalten, in der steht:' Hey, Sie sind nächste Woche für den Pfizer-Impfstoff berechtigt', entscheiden Sie sich wahrscheinlich für Letzteren", sagt Daniel Mahony, ein Fondsmanager mit Healthcare-Fokus bei Polar Capital in London. Dies könnte die Zeit verlängern, die für die Durchführung einer soliden Studie erforderlich ist, und die Nachzügler noch weiter zurück werfen.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten, genügend Testteilnehmer zu rekrutieren, geht Johnson & Johnson nun davon aus, im Januar Ergebnisse vorstellen zu können. Sanofi und Glaxo haben die späten Phasen ihrer Covid-19-Studie vertagt, nachdem ihr Impfstoff bei älteren Probanden keine ausreichend starke Reaktion hervorrief. Damit verschiebt sich die potenzielle Verfügbarkeit auf Ende des nächsten Jahres. Novavax will bald mit grossen Tests in den USA und in Mexiko loslegen. Viele andere hoffen, irgendwann im nächsten Jahr in die Spät-Testphase zu kommen.
Zwar bieten die mRNA-Impfstoffe von Pfizer und Moderna einen exzellenten kurzfristigen Schutz, es ist aber unklar, ob dieser nachlassen könnte. Es können auch Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Müdigkeit auftreten, insbesondere nach der zweiten Dosis. Dies könnte Impfstoffen der zweiten Generation die Möglichkeit geben, einen besser verträglichen oder länger anhaltenden Schutz zu liefern.
Überlaufener US-Markt
Der US-Markt ist bereits überlaufen. Ein Lösungsansatz wäre, diesen zu meiden. Genau das macht der deutsche Impfstoffhersteller CureVac. Das Spätstadium-Studie für den Covid-19-mRNA-Impfstoff wird in Europa und Lateinamerika stattfinden. Das Unternehmen plane nicht, die klinische Studie in den USA durchzuführen, da die USA gut mit Impfstoffen gegen die Pandemie versorgt seien, sagte Vorstandschef Franz-Werner Haas am 30. November auf einer Telefonkonferenz.
Den US-Markt zu meiden, könnte auch für kleinere Biotech-Unternehmen die beste Strategie sein. Arcturus Therapeutics hat beispielsweise Lieferverträge mit den Regierungen Israels und Singapurs unterzeichnet. Eine Finanzierung von Seiten der US-Regierung gab es nicht. "Wir brauchen keine Milliarden-Dosis-Transaktion, um etwas zu bewegen", sagte CEO Joseph Payne im Oktober.
Raum für Innovationen
Es gibt noch viel Raum für Innovationen, und Impfstoffe der zweiten Generation könnten einen Vorteil haben. Merck & Co. und Johnson & Johnson planen, den Infektionsschutz mit einer Injektion anstelle von zwei zu bieten. Dadurch wäre der Impfstoff einfacher zu verteilen und zu verabreichen. Andere könnten sich auf eine billigere Produktion oder den leichteren Einsatz in Entwicklungsländern konzentrieren. Der Impfstoff von Pfizer und BioNTech muss bei etwa -70 Grad Celsius aufbewahrt werden.
Keines der genannten Impfstoffunternehmen wollte ausführlich über seine Pläne sprechen, Impfstoffe der zweiten Generation auf den Markt zu bringen. Einige warten immer noch auf erste Ergebnisse, die bestimmen, wie sie vorgehen. Andere wollen nicht preisgeben, was zu wichtigen taktischen Strategien werden könnte.
(Bloomberg)