Herr Galler, das Inflationsproblem geriet durch die Bankenkrise etwas in den Hintergrund. Zuletzt gab es wieder enttäuschende Daten aus Grossbritannien. Wann geht die Teuerung endlich zurück? 

Tilmann Galler: Man muss mit der Inflation Geduld haben. Die Zinsen wirken mit Verzögerung. Aber neben der Bankenkrise gibt es schon einige Zeichen, dass die Teuerung an Schärfe verliert. Selbst der Arbeitsmarkt beginnt etwas schwächer zu werden. Im Sommer dürfte der Inflationsdruck deutlich nachlassen.

Gelingt die Inflationsbekämpfung ohne Rezession? 

Dass die Wirtschaft weiter wächst und die Inflation irgendwie von alleine weggeht, wird nicht passieren. Wir rechnen schon mit einer Art Rezession, wenn auch nur mit einer leichten.

Hat sich das Risiko einer schweren Rezession durch die Bankenkrise verschärft? 

Etwas. Wenn sich die Banken jetzt bei den Krediten stärker zurückhalten, drückt das die Investitionen und den gerade in den USA so wichtigen Konsum.

Wie viel Rezession ist in den Kursen? 

Eine leichte Rezession ist eingepreist. Kommt es zum Soft Landing, liegen die Tiefststände bereits hinter uns. Das Risiko bleibt, dass die Rezession härter ausfällt. Das würde an den Börsen zu Enttäuschungen führen.

Sind die Gewinnschätzungen noch zu hoch? 

Vor Monaten rechneten die Analysten im Schnitt noch mit vier Prozent Gewinnwachstum. Jetzt ist es noch ein Prozent. Der Druck auf die Margen wächst von zwei Seiten. Durch die Schwäche der Wirtschaft reduziert sich der Umsatz. Weil die Nachfrage fällt, sinkt zudem die Fähigkeit, die Preise zu erhöhen. Vor ein paar Monaten wollten noch 50 Prozent der Unternehmen die Preise erhöhen, jetzt sind es weniger als 30 Prozent. Zwar steigen die Rohstoffpreise nicht mehr, aber dafür die Löhne. Das Gewinnwachstum wird wahrscheinlich in den negativen Bereich wandern, wenn auch nicht dramatisch.

Also vorsichtig bleiben? 

Es ist keine Zeit für heroische Aktienwetten. Im Aktienuniversum trauen wir Dividendenstrategien in dem Zyklus wieder mehr zu. Die Ausschüttungsquoten sind niedrig, die Dividenden sind daher relativ gut geschützt. Wir favorisieren weiterhin niedrig bewertete Substanzwerte im Vergleich zu Wachstumstiteln. Chancen sehen wir durch das Ende von Zero Covid in China. Anders als in den USA und Europa beschleunigt sich dort das Wachstum. Jetzt werden dort erheblich Überschussersparnisse ausgegeben. Ganz Asien könnte positiv überraschen. 

Erich Gerbl
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