Mieten oder kaufen? So lautet die ewige Frage im Immobilienmarkt. Ist es günstiger, zur Miete zu wohnen oder in der eigenen Wohnung, dem eigenen Haus? Seit 2015 waren Wohneigentümer im Vorteil, jetzt kommen an den meisten Orten Mieterinnen und Mieter besser weg.
Natürlich: Die Aussage ist pauschal, grundsätzlich ist die Rechnung je nach Gemeinde und Immobilie unterschiedlich. Dazu kommt ein emotionaler Beweggrund: Mit den eigenen vier Wänden erfüllen sich viele den Traum einer eigenen Immobilie.
Aber grob betrachtet lässt sich sagen: Aus finanzieller Perspektive wird es zunehmend weniger attraktiv, die Mietwohnung gegen Wohneigentum zu tauschen – weil die Hypothekarzinsen deutlich gestiegen sind.
2015 bis 2021 waren Wohnungskäufer im Vorteil
«An den meisten Orten ist Mieten vorteilhafter als Kaufen. Das ist neu: Von 2015 bis 2021 waren Wohnungskäufer im Vorteil. Die hohe Inflation und die Erwartung stark steigender Leitzinsen in den USA waren die Gamechanger bei der Immobilienfinanzierung», sagt Matthias Holzhey, Immobilienexperte bei der UBS.
Konkret: Noch im Oktober liessen sich durch einen Wohnungskauf 10 bis 15 Prozent der Wohnkosten gegenüber einer vergleichbaren Mietwohnung einsparen. Voraussetzung: Das Objekt war zu 80 Prozent mit einer zehnjährigen Hypothek zu einem Zins von 1,2 Prozent finanziert.
Inzwischen ist der Zins für zehnjährige Hypotheken bei den meisten Anbietern auf 2 Prozent oder mehr gestiegen. Das macht den Kostenvorteil zunichte, wie die Kalkulation der UBS für Meilen ZH und Bulle FR zeigt.
Dass der Kostenvorteil gesunken ist, liegt auch an den unverändert hohen Immobilienpreisen. Besonders in und um die Zentren übersteigt die Nachfrage das Angebot bei weitem, weil wenig neue Eigenheime entstehen. Die starke Konjunktur stützt die Nachfrage – und damit auch die Preise.
Saron besser als Fix-Hypothek
Für Wohnungskäufer, die den Kauf mit Geldmarkthypotheken finanzieren, gilt der Kostenvorteil weiterhin. Saron-Hypotheken sind aktuell beispielsweise weiterhin für unter 1 Prozent zu haben.
Allerdings verändert sich dieser Zinssatz laufend. Viele Käuferinnen und Käufer scheuen das Risiko und ziehen es vor, eine Hypothek mit langer Laufzeit und stabilem Zinssatz abzuschliessen.
Finanziell attraktiv ist Wohneigentum immer noch. Die laufenden Kosten lassen sich mit weniger als einem Drittel eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens von monatlich netto 6600 Franken bezahlen – das ist die Faustregel, die es einzuhalten gilt. Wobei viele Menschen gar nie die Chance haben, eine Hypothek zu erhalten, weil die Banken bei der Vergabe mit einem künstlich hoch angesetzten Zinssatz von 4,5 bis 5 Prozent kalkulieren.
Der Wohnungskauf könnte bald wieder attraktiver werden – wenn die Langfristhypotheken wieder sinken würden. Davon geht zumindest die UBS aus. In ihrer neusten Prognose von Ende März sagt sie für die nächsten Monate leicht sinkende Sätze für Festhypotheken voraus. Die Credit Suisse hat eine ähnliche Prognose publiziert.
Bevölkerung wächst und mehr Menschen leben alleine
Zudem dürften die Mieten von freien Wohnungen in diesem Jahr an den meisten Orten steigen, weil zuletzt weniger neue Mehrfamilienhäuser entstanden sind, die Bevölkerung wächst und immer mehr Menschen alleine leben.
Letzten Sommer standen in der Schweiz noch mehr als 70’000 Wohnungen leer, besonders im Schweizer Mittelland, in Kantonen wie Bern, Solothurn oder Aargau. Dieser Leerstand ist inzwischen gesunken, für viele Objekte liessen sich Bewohnerinnen und Bewohner finden.
Kaufen: Ein Entscheid mit Folgen
Kurzum: In einigen Monaten könnte die Antwort auf die berühmte Frage – mieten oder kaufen – bereits wieder anders lauten. Ohnehin sind die Wohnkosten nur einer der vielen Faktoren, die beim Immobilienkauf eine Rolle spielen.
Eine Immobilie ist auch eine Investition, das Objekt kann an Wert gewinnen. Weiter ist der Kauf mit vielen Emotionen verbunden. Auch gilt: Wer eine Wohnung oder ein Haus erwirbt, verwendet in der Regel einen schönen Teil des Vermögens dafür. Das ist Geld, welches man nicht anderweitig verwenden kann.
Somit ist die eigene finanzielle Zukunft mit dem Eigenheim verknüpft, und darüber hinaus meist auch die private Zukunft: Wenn die Immobilie als Wohnort dient. Diese Liste der Faktoren lässt sich problemlos verlängern. Was auch zeigt: Mieten oder kaufen ist ein folgenschwerer Entscheid.
Dieser Artikel erschien zuerst im Digitalangebot der "Handelszeitung" unter dem Titel: "Mieten oder kaufen? Jetzt sind Mieter wieder König"