Wie werden sich die Preise für Wohnimmobilien 2022 entwickeln?
So, wie sie sich zuletzt schon entwickelt haben. Nämlich in erster Linie unterschiedlich, abhängig von den Regionen. In den Hotspots, sei dies in den grossen Städten oder auch in den angesagten Berggebieten, werden die Preise weiter steigen. Hier sehen wir weiterhin eine sehr hohe Nachfrage nach Wohneigentum. Die Krisen unterstützen das Sicherheitsbedürfnis – sei dies in Form von Immobilien als Investment oder in Form von Immobilien zum selber bewohnen. Aber wir haben in der Schweiz auch Regionen, in denen sich die Immobilienpreise seitwärts bewegen, gerade in den Landregionen und Randgebieten.
Ruedi Tanner ist Präsident der Schweizerischen Maklerkammer SMK, Mitglied im Verband der Immobilienwirtschaft Svit und Mitinhaber der Wirz Tanner Immobilien AG in Bern. (Quelle: ZVG)
Wo in der Schweiz findet eine Familie mit einem Haushaltseinkommen von maximal 200’000 Franken im Jahr heute noch ein bezahlbares Eigenheim?
Die Erfahrung zeigt: überall. Es ist nicht nur eine Frage des Haushaltseinkommens, sondern eine Frage der Ansprüche und der Geduld.
Werden viele Einfamilienhäuser unter der Hand neu vergeben?
Nein. Wir befinden uns in einem Angebotsmarkt mit deutlichem Nachfrageüberschuss. Viele Verkäuferinnen und Verkäufer wollen den bestmöglichen Preis für ihre Immobilie erzielen. Sei dies im Hinblick auf den Kauf einer nächsten Immobilie oder im Hinblick auf die Vorsorge. Der Verkauf unter der Hand wirkt in der Regel mindernd auf den Preis. Die meisten Einfamilienhäuser kommen also auf den Markt, auch jene, die vererbt werden. Weil in vielen Fällen die Erben bereits in Besitz von Wohneigentum sind.
Wie lauten Ihre vier Tipps, wie Hauskäuferinnen und Hauskäufer abseits der Immobilienportale interessante Angebote finden?
Erstens: Definieren Sie ganz genau, was Sie wo finden möchten: Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung? In welcher Region? Welche persönlichen Bedürfnisse müssen unbedingt abgedeckt werden, welche können Wünsche bleiben? Wie sieht der finanzielle Spielraum aus? Zweitens: Reden Sie in den von Ihnen präferierten Regionen mit den führenden Qualitätsmaklerinnen und -maklern. Diese sind bestens vernetzt und kennen den Markt in der Region aus dem Effeff. Drittens: Lassen Sie sich für Ihre Suche bei den Qualitätsmaklerinnen und -maklern auf eine Liste setzen und halten Sie regelmässig Kontakt mit den Qualitätsmaklerinnen und -maklern in der von Ihnen gewünschten Region. Und viertens: Verlieren Sie nicht die Geduld.
Die Hypothekarzinsen dürften bald steigen. Was wird sich bei der Hausfinanzierung nun ändern – und würden Sie im aktuellen Umfeld Geldmarkt- oder Festhypotheken empfehlen?
Auch wenn die Hypothekarzinsen bereits etwas gestiegen sind: Sie sind noch immer nicht sehr hoch. Bei Neuabschlüssen wird sich also nicht so viel ändern. Wenn Hypotheken, die noch im absoluten Tiefzinsumfeld abgeschlossen werden konnten, erneuert werden müssen, werden sich die Immobilienbesitzer zuerst etwas umgewöhnen müssen – das ist klar, wenn der neue Hypothekarzins nicht mehr 0,9 Prozent, sondern 1,2 bis 2,2 Prozent beträgt. Geldmarkt- oder Festhypotheken: Das hängt von der Risikofähigkeit der Hypothekarnehmer ab. Wer Klarheit will über die nächsten zehn Jahre, der muss eine Festhypothek abschliessen. Wer die Nerven hat, mit dem Markt zu gehen, und jeweils schnell entscheiden kann, wird sich an einer Geldmarkthypothek orientieren können.
Droht der Immobilienmarkt in Schieflage zu geraten, wenn die Zinsen rasch steigen?
Es ist weniger das Tempo ausschlaggebend als vielmehr das Ausmass des Anstieges. Klar ist: Sollten 5 Prozent und mehr wieder Normalität werden bei den Hypothekarzinsen, wird das einen Einfluss auf den Immobilienmarkt haben. Aber davon sind wir – faktisch, politisch und wirtschaftlich – noch ziemlich weit entfernt. Und wir dürfen einen allfälligen Zinsanstieg nicht ohne Bewertung der steigenden Inflation betrachten. Immobilien sind als Realwert noch immer mit das beste Gegenmittel gegen die Geldentwertung durch Inflation. Und bleiben dadurch weiter begehrt.
Die Nachfrage nach Einfamilienhäusern übersteigt das Angebot. Wird diese Situation anhalten – und welche Gründe sehen Sie für dieses Missverhältnis?
Eigenheime, Einfamilienhäuser oder auch Eigentumswohnungen, werden attraktiv bleiben. Die Sehnsucht der Menschen nach Wohnbesitz ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Das vorhandene Angebot an Einfamilienhäusern kann die Nachfrage nicht decken – und neue Einfamilienhäuser werden nicht im entsprechenden Mass gebaut. In vielen Regionen gibt es kaum Angebote auf dem Eigentumsmarkt. Der zu erwartende Zinsanstieg und die Tatsache, dass viele Einfamilienhäuser nur von einer älteren Person bewohnt werden, könnten eine gewisse Entspannung bringen.
Ruedi Tanner hat die Fragen schriftlich beantwortet.
Dieser Artikel erschien zuerst im Digitalangebot der "Handelszeitung" unter dem Titel: "Die meisten Einfamilienhäuser kommen auf den Markt"