cash.ch: Was sind die grössten Fehler, die werdende Hauseigentümer beim Thema Hypothek machen?

Florian Schubiger: Einfach einmal ohne Strategie und Vorabklärungen zur Bank gehen, ist keine gute Idee. Zuerst sollte man sich überlegen, welches Risiko zur persönlichen Situation passt. Zweitens sind sich zudem viele nicht bewusst, dass in Bezug auf die Zinsen Verhandlungsraum besteht. Die Angebote der Banken sind alles andere als sakrosankt. Der grösste Fehler ist deshalb, eine Hypothek ohne vorherige Verhandlung mit dem Kreditgeber abzuschliessen. Drittens sollte man sich als Vorbereitung für eine gute Verhandlung einen Marktüberblick verschaffen, welche Hypothekarmodelle sinnvoll und welche Zinsen zu erwarten sind. Die Argumentationsbasis ist das A und O. 

Schwierig ist es wohl für viele in einer Verhandlung zu merken, wie viel man noch herausholen kann. Wie soll man vorgehen?

Es kommt auf das Institut und die persönliche Situation an. Am meisten Möglichkeiten gibt es, wenn finanzieller Spielraum vorhanden ist. Eine etwas bessere Tragbarkeit oder eine tiefere Belehnung sind meist die schlagkräftigsten Argumente für einen besseren Zinssatz. Zugegebenermassen ist es aber nicht ganz einfach, die Grenzen auszuloten. Im Internet gibt es die Möglichkeit, mit Hilfe von Hypothekenplattformen oder allgemeinen Zinsvergleichen herauszufinden, wie viel man bei seiner Hausbank noch ungefähr herausholen kann. 

Gibt es Unterschiede bei der Verhandlungsart je nach Grösse des Instituts?

Klassischerweise kann man bei den Banken am meisten verhandeln. 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte Abschlag liegen in vielen Fällen drin, vor allem wenn das persönliche Kreditrating gut ist. Grössere Abschläge sind schwieriger zu erhalten, weil dies in aller Regel durch höhere Bankkader bewilligt werden muss. Bei aus Bankensicht attraktiven Hypotheken ist aber auch das möglich. Bei Pensionskassen und Versicherungen ist der Verhandlungsspielraum klassischerweise geringer.

Banken sind am oberen Ende bei den Zinsen?

Ich habe noch nie eine Bank gesehen, die von Anfang an den bestmöglichen Hypothekarzins offerierte. Man sieht dies auch bei den publizierten Zinsen im Internet, die nie zu den günstigsten gehören. Auch bei der Verlängerung von Hypotheken wollen sie nicht mit einem zu tiefen Ausgangszinssatz in die Verhandlung gehen. Sie geben meist Rabatt, mit dem Wissen, dass die Marge immer noch gut ist.

Banken bieten oftmals Benefits an…

Allfällige Benefits würde ich knallhart einkalkulieren. Meist stellt sich dann aber heraus, dass diese Vorteile – beispielsweise eine etwas tiefere Amortisation – den höheren Zinssatz nicht rechtfertigen. Viele vergessen, was ein halbes Prozent bei einer halben Million Hypothek ausmacht. In zehn Jahren sind es 25’000 Franken.

Wie sieht es bei den Pensionskassen aus?

Bei Pensionskassen besteht eine viel geringere Verhandlungsmasse. Viele Pensionskassen, Anlagestiftungen oder Versicherungen bieten von Beginn weg einen Zinssatz an, der wirklich fix ist.

Ist diese Situation bei den Banken ein Zeichen dafür, dass der Markt nicht wirklich gut spielt?

Die meisten Schweizer vergleichen nicht so oft und verhandeln nicht gerne. Deswegen haben die Banken in der Schweiz ein einfaches Spiel. Durch mehr Transparenz im Internet ändert sich die Situation aber allmählich. Die Kunden haben heute schlicht mehr Vergleichsmöglichkeiten. 

Das persönliche Kreditrating ist im Endeffekt entscheidend für den Verhandlungsspielraum. Wie verbessert man dieses?

Wir wissen, wie die einzelnen Institute die Kriterien gewichten und werten dies regelmässig aus. Es sind vor allem drei Punkte entscheidend: Die Belehnung ist am wichtigsten, dann folgen die Tragbarkeit und die Hypothekarhöhe. Wenn alle drei Parameter gut sind, hat man ein Top-Rating. Die Kriterien sind aber nicht bei allen Instituten identisch. Ich empfehle deshalb, den Bankberater direkt zu fragen: Was muss ich für einen besseren Zinssatz machen?

Inwiefern spielen hier auch steuerliche Überlegungen eine Rolle?

Die Verknüpfung der Hypothekarhöhe mit den Steuern wird oft überschätzt. Auf der einen Seite ist der Eigenmietwert, der unabhängig von der Hypothekarhöhe fix ist und als Einkommen versteuert werden muss. Auf der anderen Seite sind die Hypothekarzinsen, beispielsweise 2 Prozent. Bei einem Grenzsteuersatz von 25 Prozent kostet die Hypothek nach Steuern ein Viertel weniger, also 1,5 Prozent. Das hängt damit zusammen, dass die Hypothekarzinsen in der Steuererklärung vom Einkommen abgezogen werden können. Wer Gelder anlegt, muss in diesem Beispiel nach Steuern mindestens diese 1.5 Prozent Rendite erzielen. Ansonsten kostet die Hypothek mehr als man mit den Anlagen verdient. Entscheidend bei dieser Betrachtung ist natürlich auch, dass man in der Immobilie gebundene Gelder langfristig nicht benötigt und dass die Geldanlagen in Bezug auf das Risiko diversifiziert sind. 

Wie sollte man hinsichtlich des letzten Lebensabschnitts bei der Hypothek vorgehen?

Im Hinblick auf das Alter ist es entscheidend, die Hypothek nur so weit zurückzuzahlen, dass auch im Alter noch genügend Liquidität vorhanden ist. Es ist im fortgeschrittenen Alter nicht so einfach, neu eine Hypothek aufzunehmen. So kommt es in der Praxis vor, dass jemand eine wertvolle Immobilie ohne Hypothek besitzt aber kaum genügend Geld auf dem Konto hat, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Ein langfristiger Finanzplan ist wichtig, um auch im Alter keine negativen finanziellen Überraschungen zu erleben. 

Jahrelang konnte man sein Wohneigentum zu Niedrigzinsen finanzieren. Dieses Szenario muss man sich trotz derzeit rückläufiger Zinsen wohl abschminken?

Die Zinsen sind aktuell schon wieder etwas rückläufig und es gibt Stimmen, die mittelfristig bei allen Laufzeiten von noch tieferen Zinsen ausgehen. Ich persönlich glaube, dass die Zeit von 10-jährigen Festhypotheken unter 1 Prozent für lange Zeit vorbei ist. Viele blenden aus, dass die Zinsen langfristig auch wieder steigen können. Es kommt diesbezüglich vor allem auf die Konjunktur und die Inflation an. Diese Parameter deuten aktuell tatsächlich auf eine Entspannung bei den Zinsen hin. Wie schnell sich das ändern kann, hat die Vergangenheit aber schon unzählige Male bewiesen. 

Was beobachten Sie derzeit auf der Nachfrageseite am Hypothekarmarkt?

Saron-Hypotheken waren lange Zeit am günstigsten. Aktuell schliesst man fünfjährige und teilweise zehnjährige Festhypotheken zu besseren Konditionen ab. In den letzten Monaten hat es eine deutliche Verschiebung weg von Saron-Hypotheken hin zu fünf- oder zehnjährigen Laufzeiten gegeben. Das ist nachvollziehbar: Wer jetzt auf den Saron setzt, muss sich sicher sein, dass die Zinsen deutlich und nachhaltig zurückgehen. 

Der Saron ist nur etwas für Mutige...

Man muss sich einfach bewusst sein, dass man in ein paar Jahren auch bei drei oder vier Prozent liegen kann. Saron-Hypotheken sind aber nicht grundsätzlich schlecht, im Gegenteil. Sie passen einfach nicht zu jeder Ausgangslage.

Taktisch gesehen machen kurze Festhypotheken mehr Sinn?

Auch eine dreijährige Festhypothek ist momentan deutlich günstiger als eine Saron-Hypothek. Ob aktuell drei Jahre fest oder die Saron-Hypothek besser ist, ist aber Spekulation. Schlussendlich geht es vielmehr um die persönliche Ausgangslage. Die Risikofähigkeit bestimmt, ob eine Saron-Hypothek in Frage kommt. 

Wird damit die Zinsprognose nicht vernachlässigt?

In einem zweiten Schritt kann die persönliche Erwartung an die Zinsen berücksichtig werden. Zentral ist aber: Nur wer risikofähig und risikofreudig ist, sollte höhere Beträge als Saron-Hypothek abschliessen. Wer seine persönliche Zinserwartung beim Entscheid bezüglich des Hypothekarmodells zu stark gewichtet, muss sich auch bewusst sein, dass der Schuss nach hinten losgehen kann. 

Mit welcher Zinsentwicklung rechnen Sie?

Ich rechne auf zwei Jahre hinaus nicht mit grossen Schritten nach oben oder nach unten. Aktuell scheinen Zinsreduktionen bei den kurzfristigen Zinsen zwar realistisch. Meldet sich die Inflation aber zurück, dürfte sich das schnell ändern. 

Es wird aber auch argumentiert, dass der Saron langfristig die beste Wahl ist…

Natürlich, wenn man über einen langen Betrachtungshorizont nicht wechselt und immer im Saron bleibt, fährt man besser als wenn man immer langlaufende Festhypotheken abschliesst. Das kommt daher, weil die Zinskurve meist steil ist – man also für lange Laufzeiten mehr bezahlt als für kurze. Das heisst aber nicht, dass immer auf Saron zu setzen das Beste ist. Tiefzinsphasen kann man je nach Ausgangslage dazu nutzen, um sich langfristig zu binden. 

Soll man bei den Hypothek-Laufzeiten wirklich diversifizieren?

Ich bin kein Fan von Hypotheken-Staffelungen, weil man sich in eine Abhängigkeit des Kreditgebers begibt. Läuft die erste kürzere Tranche aus, kann man den Kreditgeber meist nicht wechseln und verliert deshalb einen Grossteil der Verhandlungsmacht. Wer staffeln will, sollt in meinen Augen am ehesten Saron-Hypotheken mit Festhypotheken kombinieren.

Eigenheim oder Miete mit dieser Ausgangslage?

Mit den gestiegenen Zinsen ist der finanzielle Vorteil für das Eigenheim nicht mehr eindeutig oder ist sogar gekippt. Wir sind bei den Zinsen dort, wo wir 2014 waren. Aber die Immobilienpreise im Kanton Zürich sind um 50 Prozent gestiegen, während die Löhne im Schnitt nur um 5 Prozent zugelegt haben. Weil die Mieten reguliert sind, können sie nur verzögert und vielfach nur bei einem Mieterwechsel stark angehoben werden. Wenn die Immobilienpreise und die Zinsen steigen, wird mieten somit automatisch interessanter. 

Wer kann sich die heutigen hohen Preise auf dem Markt für Wohneigentum noch leisten?

Einzelpersonen oder Ehepaare um die dreissig Jahre können sich Wohneigentum äusserst selten aus eigener Kraft finanzieren. Fast immer bieten die Eltern oder andere nahestehende Personen Unterstützung in Form einer Schenkung oder eines Erbvorbezugs. Vor dreissig Jahren war das nicht der Fall. Die Tragbarkeitsrechnung wird für viele Immobilienkäufer zur Herausforderung und deshalb werden die Käufer immer älter. 

Florian Schubiger ist CEO und Mitgründer von hypotheke.ch, einer voll digitalen Schweizer online Hypothekenplattform. Zudem ist er Co-Gründer und heute Verwaltungsrat der seit 2007 bestehenden VermögensPartner AG, einem unabhängigen Vermögensverwalter mit einer Lizenz der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA. Florian Schubiger studierte Betriebsökonomie an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW), wo er heute Lehrbeauftragter im Masterstudiengang Financial Consulting ist.

ManuelBoeck
Manuel BoeckMehr erfahren