cash.ch: Sind die heutigen Erstkäufer von Wohneigentum nur noch Erben, weil es sonst niemand mehr vermag? 

Wer vor zehn Jahren in Uster ein Häuschen kaufte, hat dafür im Schnitt etwa 1,2 Millionen Franken bezahlt. Heute kostet das gleiche Haus 2 Millionen Franken, also 65 Prozent mehr. Diese Differenz kann man mit Sparen nie herbringen. Es muss entweder geerbt oder ein Erbvorbezug gemacht werden. Sonst ist das nicht möglich. Und selbst wenn beide arbeiten und sehr gut verdienen sowie mehrere Jahre Geld auf die Seite gelegt haben, geht es nur knapp auf. Die Immobilienpreise sind von der Lohnentwicklung völlig abgekoppelt.

Wer kommt denn überhaupt noch als Käufer in Frage?

Von den aktuellen Mietern sind es keine 10 Prozent, die überhaupt die eigenen Mittel hätten. Zudem verschwinden die typischen Einfamilienhäuser vom Markt. Diese werden immer rarer, weil sie tendenziell abgerissen werden und dann ein Mehrfamilienhaus auf dem Grundstück erstellt wird. Auch von daher werden es immer weniger, die ein Einfamilienhaus kaufen können.

Zeigen sich auf dem Transaktionsmarkt erste Spuren?

Die Transaktionszahlen sind nicht eingebrochen, aber wir sind wieder auf den langjährigen Durchschnitt zurückgekommen. Wir stellen aber fest, dass nicht mehr die gleichen Leute kaufen. Generell wird später gekauft. Man wird heute nicht mehr ein Hauseigentümer mit 35, sondern eher mit 45. Es verschiebt sich nach hinten, man muss länger warten. Dies mit dem Nachteil, dass zum Kaufzeitpunkt die Kinder schon fast wieder draussen sind. Man wird immer älter, bis man sich das Haus leisten kann.

Die höheren Preise verlangen nach höheren Erbsummen, damit der Erwerb in Frage kommt?

Grundsätzlich ist in der Schweiz viel Geld da, aber man erbt es einfach zu spät. Das belegen die Zahlen. Wir haben über 1'000 Milliarden Franken Hypotheken und etwa 3'000 Milliarden Franken Immobilienwert. Deshalb wäre es beim Vererben heute wohl besser, eine Generation zu überspringen. Es ist ja fast das Kind von den Kindern, dass das Wohneigentum benötigen würde.

Viele haben also ein Einfamilienhaus, obwohl es eigentlich die Nachkommen benötigen?

Wenn man es braucht, dann hat man es nicht. Viele träumen in jungen Jahren von so einem Objekt. Wer sich das Haus in Uster nicht leisten konnte, der ging zum Beispiel nach Weinfelden oder hat ein Sanierungsobjekt gekauft. Gerade die, die handwerklich begabt sind, konnten viel mit Eigenleistungen einbringen und unter dem Regime des Eigenmietwerts die Sanierungskosten vom steuerbaren Einkommen abziehen. Mit der Abschaffung des Eigenmietwertes ab 2028 geht das nicht mehr.

Zum besagten Einfamilienhaus in Uster, kostet dieses in zehn Jahren rund 3,5 Millionen Franken, weil der Preis erneut um 65 Prozent steigt?

Das hoffe ich nicht. Wenn wir das Angebot auf dem Immobilienmarkt allerdings nicht anpassen können, es politisch keine Änderungen gibt oder und keine Rezession kommt, ist das nicht ausgeschlossen. Uster ist wie ein Quartier von Zürich, weil die Distanz mit der S-Bahn so kurz ist. Aber es wäre natürlich verrückt. Denn es würde einfach heissen, dass die Jungen, die in Uster aufwachsen, bald die gleiche Situation haben wie diejenigen im Zug. Die gehen alle ins Luzernische oder in den Aargau, weil sie das Wohneigentum in Zug nicht mehr bezahlen können.

Mehr gebaut wird trotzdem nicht, obwohl zum Teil Baulandreserven vorhanden wären?

Eine Herausforderung ist, dass der, der schon so viel bezahlt hat, jetzt in Uster in einem Haus sitzt zu einem Preis von zwei Millionen Franken, mit einer Hypothek - sprich Schulden - von 1,6 Millionen Franken bei einer Belehnung von 80 Prozent. Wenn jetzt an der Gemeindeversammlung jemand kommt, der gerne einzonen würde, damit das Land günstiger wird, dann würde der Hausbesitzer wohl einen Wertverlust erleiden und damit seine Eigenmittel riskieren. Deshalb hat jeder, der in diesem exklusiven Club der Hausbesitzer ist, theoretisch wenig Interesse, dass es billiger wird. Wohneigentum muss exklusiv bleiben, weil sonst das Eigenkapital in der Immobilie gefährdet ist.

Die Landpreise sind nach wie vor ein grosses Problem?

Das Land für das Haus könnte grundsätzlich halb so teuer sein. Das ist nur eine Frage des Landpreises. Wir haben in der Landwirtschaft Grundstücke, die kosten 10 Franken pro Quadratmeter. Dieses liegt an erschlossenen Lagen, in denen man durchaus Eigentumswohnungen bauen könnte. Aber das will man politisch nicht.

Noch dichter bauen scheint auch nicht zu helfen?

Es wird tatsächlich immer dichter gebaut. Allerdings werden wir an einen Punkt kommen, wo es so dicht ist, dass der Preis durch die Ecke geht. Das erleben wir jetzt gerade an den Zentrumslagen. Auf der anderen Seite gilt dies aber auch gerade im Mietbereich in vielen Regionen in der Schweiz neben den Tourismusregionen und den so oder so gefragten Zürich, Genf oder Lausanne. Eine Ausnahme ist der Jura oder das Emmental, dort ist es immer noch wie früher - sprich hohe Leerstandsquoten und tiefe Bodenpreise. Nur hat es dort weniger Jobs und Perspektiven. Darum wollen die Leute in die Nähe der Städte, wo die gutbezahlten Jobs sind. 

Jetzt haben wir fast wieder Negativzinsen. Wieso wird nicht mehr gebaut?

Das Geld ist zwar gratis, aber ein Hypothekarkredit ist bei der Bank nicht mehr so einfach zu bekommen. Wenn ich heute zu einer Bank gehe, muss ich teilweise mehr Eigenmittel für die Hypothek unterlegen. Der Kredit für eine Renditenliegenschaft ist ebenfalls teuer geworden, weil die Bank mehr Eigenkapital einfordert. Die Sicherheiten, die die Bank bei der Nationalbank oder der Pfandbriefbank beziehungsweise der Pfandbriefzentrale hinterlegt, sind nicht unbeschränkt. Zudem liegen die Gelder nicht mehr auf dem Sparkonto, sondern sind in Aktien investiert, weil das mehr bringt als der Sparzins.

Steigen die Immobilienpreise so stark bei so tiefen Zinsen, dann sollte trotzdem mehr gebaut werden?

Dies war in der Vergangenheit tatsächlich so. Üblicherweise hat diese Ausgangslage immer zu einer Ausweitung des Angebots geführt. Jetzt merkt man, das funktioniert nicht mehr. Der Raum ist dichter geworden, und viele Interessen - vom Schutz wertvoller Objekte über Lärm- und Denkmalschutz bis hin zu vielfältigen ISO-Vorschriften - bremsen in ihrer Summe das rasche Ausdehnen des Angebots. Umso wichtiger ist es, dass wir in der Schweiz gemeinsam Lösungen finden, die Investoren, Mieterinnen und zukünftigen Eigentümern gleichermassen dienen.

Donato Scognamiglio ist Verwaltungsratspräsident und ehemaliger CEO & Teilhaber des Informations- und Ausbildungszentrums für Immobilien (IAZI) in Zürich.

Thomas Daniel Marti
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