Mit dem Liebesentzug der Investoren erhöht sich für die Fonds der Druck, ihre Liegenschaften auf den Markt zu werfen. Ihre Weigerung, sinkende Marktpreise zu akzeptieren, könnte bröckeln. Quer durch Europa sind die Investitionen in Gewerbeimmobilien laut MSCI im ersten Halbjahr um 59 Prozent eingebrochen. Wenn die Fonds in grossem Stil anfangen, Liegenschaften zu verkaufen, könnten die bereits zweistellig gesunkenen Bewertungen weiter hinuntergehen.

In Deutschland wird dieser Prozess gebremst durch neue Regeln, die nach der Finanzkrise eingeführt wurden, und die seit 2013 bei offenen Immobilienfonds eine einjährige Rückgabefrist vorschreiben. Allerdings zeigt sich an massiven Abschlägen am Sekundärmarkt bereits, welcher Druck sich aufbaut. «Wenn man bei festverzinslichen Wertpapieren 3 Prozent bis 4 Prozent erhält, warum sollte man dann sein Geld in einen offenen Immobilienfonds stecken?», sagt Henning Koch, Vorstandsvorsitzender des Immobilien-Fondsmanagers Commerz Real.

In Frankreich haben offene Immobilienfonds für Kleinanleger - sogenannte Organismes de placement collectif en immobilier oder OPCIs - bereits Immobilien im Wert von mehr als 5 Milliarden Euro auf Verkauf gestellt. Jeder übereilte Ausverkauf bringt Abwärtsdruck auf die Bewertungen und bedeutet eine Gefahr für die verschuldeten Vermieter, die an die Grenzen ihrer Kreditaufnahme stossen. Das Risiko ist ein zentrales Thema auf der Immobilienkonferenz Expo Real in München, die heute beginnt.

«Die Verschuldung dieser Fonds und die Abschläge, mit denen sie auf den Sekundärmärkten gehandelt werden, sind ein klares Indiz für das, was auch logisch erscheint: Die Investoren sind zunehmend versucht, zu tilgen», sagt Niko Schultz-Süchting, Immobilienspezialist in der Anwaltskanzlei Freshfields. «Das führt zu einem Moment der Wahrheit.»

Inzwischen hat das Thema die Aufmerksamkeit der EZB geweckt, die sich um die Stabilität der insgesamt 1 Billion Euro schweren Immobilienfonds im Euroraum sorgt. Der Druck zeigt sich etwa beim UniImmo Global der Union Investment, der Fondssparte der DZ Bank. Er notiert mit einem Abschlag von etwa 13 Prozent auf den Nettoinventarwert. Seine Beleihungsquote ist bis März auf 24,4 Prozent gestiegen, verglichen mit 22,1 Prozent im Vorjahr.

Grossbritannien als abschreckendes Beispiel

Die Abflüsse hielten sich 2022 mit knapp 75 Millionen Euro - etwa 2 Prozent des verwalteten Vermögens - noch in Grenzen, in diesem Jahr sollen sogar netto wieder Zuflüsse verzeichnet worden sein. Nach Ansicht von Union schafft die 12-monatige Kündigungsfrist «genau das richtige Instrumentarium», um Stabilität zu gewährleisten.

Während die grössten deutschen Immobilienfonds bereits seit Jahrzehnten bestehen und ihre Portfolios nicht nur zu den Höchstpreisen der vergangenen Jahre eingekauft haben, sieht es bei den französischen OPCIs anders aus. Opcimmo, ein 2021 von Amundi aufgelegter Fonds, erreichte im Jahr 2020 einen Höchststand von 8,6 Milliarden Euro. Mehr als die Hälfte davon wurde zwischen 2015 und 2017 eingezahlt, was das Opcimmo dazu veranlasste, in dieser Phase viel Geld auszugeben, etwa für den 1,8 Milliarden Euro teuren Pariser Mega-Bürokomplex Coeur Defense.

Andere Fonds waren da vorsichtiger und begrenzten die Zuflüsse in der Boomzeit, um nicht in Investitions-Zugzwang zu geraten, wenn die Preise auf dem Höchststand sind. Bei Immobilienfonds ist «der Vertrieb der Schlüssel», sagt Isabelle Scemama, die sich bei dem französischen Versicherer Axa SA um alternative Anlagen kümmert. «Es ist wichtig, die Zuflüsse so zu steuern, dass man nicht zu einem Zwangskäufer wird.»

Das abschreckende Beispiel für Fondsmanager auf dem Kontinent ist Grossbritannien. Mehrere offene britische Fonds waren nach dem Brexit-Referendum 2016 und während der Covid-19- Pandemie gezwungen, Abhebungen zu stoppen. Anders als ihre französischen Pendants sind britische Fonds nicht verpflichtet, einen bestimmten Anteil an liquiden Mitteln zu halten. Ausserdem müssen sie den Anlegern die Möglichkeit geben, Gelder sofort abzuziehen.

Nach dem Schock des Brexit-Votums wurden die britischen Fonds von einem plötzlichen Anstieg der Abhebungen überwältigt, und der Sektor hat seitdem Nettoabflüsse in Höhe von mehr als 7 Milliarden Pfund zu verzeichnen, so das Fondsnetzwerk Calastone. Die britischen Fonds «haben mit der Aussicht auf Liquidität in einer illiquiden Anlageklasse eine Mogelpackung verkauft», sagt Jefferies-Immobilienanalyst Mike Prew. «Und sie könnten bald vom Markt verschwinden.»

(Bloomberg)