Für den Industriekonzern ABB ist 2017 bisher ein gutes Börsenjahr: Seit Jahresbeginn konnte die Aktie um 15 Prozent zulegen. Auf die letzten 12 Monate gesehen beträgt das Plus sogar 30 Prozent. Im Mai kletterte der ABB-Titel auf 24,89 Franken - den höchsten Stand seit September 2008.

Doch seit dem Kurseinsturz in Folge der Finanzkrise 2007/08 kam die ABB-Aktie nicht nachhaltig vom Fleck. Jahrelang handelte sie mal über, dann wieder unter der Marke von 20 Franken. Auch CEO Ulrich Spiesshofer (seit September 2013 im Amt) konnte dies nicht ändern. Die Schwelle von 25 Franken konnte der Titel seit neun Jahren nicht mehr knacken, obwohl er einige Male nahe dran war, wie folgende Grafik verdeutlicht:

Kursverlauf ABB-Aktie in den letzten 10 Jahren

Quelle: SIX

Zeichnet sich mit dem neuen Angriff auf die Marke von 25 Franken ein Ausbruch nach oben ab, oder fällt die Aktie wieder ins alte Muster zurück?

Ein Blick auf die operative Entwicklung zeigt, dass der grosse Befreiungsschlag ABB noch nicht geglückt ist. Auch im ersten Quartal 2017 setzte sich die altbekannte Wachstumsschwäche fort: Rückläufiger Auftragseingang, weniger Umsatz und ein kleinerer Betriebsgewinn. 2017 sei ein Übergangsjahr, betonte Spiesshofer im Februar.

ABB braucht Impulse

Damit nun bei der ABB-Aktie Gewinnmitnahmen ausbleiben, sind neue Kursimpulse nötig. Operativ gibt es zumindest positive Ansätze - die wohl auch für die positive Kursentwicklung der letzten Monate verantwortlich sind: "Bezüglich der Basisaufträge gibt der Auftragseingang Anlass zur Hoffnung, dass ABB aus der Wachstumsschwäche herausfindet", ist einem Analystenkommentar der Zürcher Kantonalbank (ZKB) zu lesen. Die momentanen Haupttreiber kämen aus den Bereichen Robotics und Industrie (ohne Schwerindustrie). Auch bei den Elektrifizierungsprodukten sei der Nachfragetrend positiv.

Doch ABB fehlen derzeit Grossaufträge, und der Auftragsbestand schrumpft. "Von der Bewertung her sehen wir keinen bedeutenden Spielraum nach oben", lautet daher das Fazit des ZKB-Analysten. Mit einem geschätzten KGV 2017 von 26 ist die Aktie bereits sehr teuer bewertet.

Auch andere Banken trauen ABB keine weiteren Kursanstiege mehr zu. Die Deutsche Bank schrieb in einer Studie vom April etwa, dass ABB im Bereich Digitalisierung einen Rückstand von fünf Jahren auf den französischen Rivalen Schneider Electric aufweise. Ähnlich sieht es die Bank Berenberg, die ABB gar auf "Verkaufen" hält bei einem Kursziel von 21 Franken – zum aktuellen Aktienkurs ist dies ein Abschlag von 15 Prozent.

Vielversprechender Zukauf

Immerhin gibt sich ABB Mühe, die Lücke im Bereich der Digitalisierung zu schliessen: In diesem Jahr übernahm der Konzern die österreichische Bernecker + Rainer, welche unter Expertenkreisen als Wachstumsperle im Bereich der Industrieautomation angesehen wird. Die solide Finanzierungssituation bei ABB gibt darüber hinaus noch Spielraum für weitere Zukäufe.

Anleger werden gespannt auf das Resultat vom zweiten Quartal warten, welches am 20. Juli präsentiert wird. Eine echte Belebung des Tagesgeschäfts wird nicht erwartet. Doch könnte gerade deshalb eine positive Überraschung bezüglich Umsatzwachstum oder Auftragseingang der Aktie einen Schub verleihen - und den 25-Franken-Fluch brechen. Andernfalls stehen einmal mehr Gewinnmitnahmen und Enttäuschungen ins Haus.