Vor wenigen Tagen ergriff ABB die Flucht nach vorn: In einer Medienmitteilung liess der schweizerisch-schwedische Industriekonzern die Öffentlichkeit wissen, dass die Umsatz- und Margenentwicklung in den ersten drei Monaten über alle Geschäftsbereiche hinweg rückläufig sei. Mit konkreten Zahlen will das Unternehmen erst in einigen Wochen aufwarten.

Dass die Aktie an diesem Tag um fast 6 Prozent tiefer aus dem Handel ging, lässt sich in erster Linie mit dem Dividendenabgang erklären. Die 80 Rappen aufgerechnet, schmilzt der Tagesverlust auf 1,2 Prozent. Das ändert allerdings nur wenig daran, dass die Aktie noch immer rund 30 Prozent unter dem Stand von Anfang Januar notiert.

Für Julius Bär sind das nun Kaufkurse. Die Zürcher Bank reduziert ihr Kursziel zwar auf 21,50 (zuvor 24,50) Franken, stuft die ABB-Aktie gleichzeitig jedoch von "Hold" auf "Buy" herauf. Man räumt bei Julius Bär zwar ein, dass die Unsicherheiten mit Blick auf die Coronavirus-Krise hoch bleiben. Dennoch hält sie das Margenverbesserungspotenzial längerfristig für intakt.

Mit einer Kaufempfehlung wartet am Freitagmorgen auch die UBS auf. Anders als Julius Bär rät die grösste Schweizer Bank schon eine ganze Weile zum Einstieg – neuerdings mit einem 12-Monats-Kursziel von 22 (zuvor 23) Franken. Die UBS reagiert mit der Kurszielsenkung auf die Aussagen von ABB zum ersten Quartal. Auch die Grossbank schätzt die mittel- bis längerfristigen Aussichten als gut ein.

Kursentwicklung der ABB-Aktie während den letzten zehn Jahren (Quelle: www.cash.ch)

Seit gut einem Monat hat Björn Rosengren das Ruder übernommen. Dass der frühere Sandvik-Chef keine Tabus kennt, stellte er am vergangenen Montag unter Beweis, als ABB die Öffentlichkeit in der Medienmitteilung wissen liess, dass der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung aufgrund der Coronavirus-Krise auf 10 Prozent der diesjährigen Entschädigung verzichten. Damit stiess das Unternehmen eine öffentliche Diskussion um Manager-Gehälter in Krisenzeiten an (cash berichtete).

Rosengren gilt als profunder Branchenkenner sowie als gewiefter Turnaround-Manager. Noch ist aber unklar, was für Pläne er hegt und wie er ABB wieder auf Kurs bringen will. Grössere Anpassungen auf der Kostenseite und beim Firmenportfolio gelten als wahrscheinlich.

ABB und der «Fluch der 25 Franken»

ABB spaltet die Analystengilde wie kaum ein anderes Unternehmen aus dem Swiss Market Index (SMI). Erhebungen der Nachrichtenagentur AWP zufolge empfehlen acht von 22 Experten die Aktie des Industriekonzerns zum Kauf und sechs zum Verkauf. Die übrigen acht schätzen sie hingegen neutral ein.

Mit der ABB-Aktie verdiente in den letzten Jahren denn auch nur, wer bei Kursen von 18 Franken oder weniger zugriff und sich bei Kursen von 23 Franken oder mehr jeweils wieder verabschiedete. Unter dem Strich erwiesen sich die letzten zehn Jahre ansonsten nämlich als ein Nullsummenspiel für die Aktionäre. Auf einen nachhaltigen Vorstoss auf über 25 Franken warten sie bis heute vergeblich. Man spricht an der Börse deshalb sogar vom "Fluch der 25 Franken".