Eine Woche ist es her, dass der Industriekonzern ABB mit Pauken und Trompeten die Übernahme von Bernecker + Rainer Industrie-Elektronik, kurz B&R, ankündigte. Mit dem von Beobachtern auf 2 Milliarden Dollar geschätzten Firmenkauf schliesse man eine "historische Lücke" in der industriellen Automation, so liess Konzernchef Ulrich Spiesshofer durchblicken.

Analysten äussern sich etwas kritischer und sehen bei ABB mit der Übernahme von B&R eine Notwendigkeit, um im zukunftsträchtigen "industriellen Internet-der-Dinge" den Anschluss an die Konkurrenz nicht zu verlieren.

In einer Branchenstudie wähnen die Autoren der Deutschen Bank den Wirtschaftszweig Industrie erst am Anfang der Digitalisierung. Industrielle Maschinen, die sich dank des Internets mit dem Menschen verbinden: Dieser Markt dürfte laut der Studie über die kommenden Jahre auf 200 Milliarden Dollar heranwachsen. Verständlich, dass auch ABB ein Stück von diesem Kuchen abhaben will.

Wie bei jedem strukturell bedingten Trend wird es auch im "industriellen Internet-der-Dinge" neben Gewinnern Verlierer geben. Die Analysten erachten ABB in diesem Bereich zwar als gut positioniert. Allerdings lassen sie keine Zweifel daran, dass die beiden Rivalen Siemens und Schneider Electric die Nase vorn haben.

ABB setzt voll auf Digitalisierung

Bei der Digitalisierung der eigenen Geschäftsaktivitäten sei Schneider Electric den Zürchern um fünf Jahre voraus, so lautet das aus Sicht von ABB ziemlich ernüchternde Urteil.

Die ABB-Aktie (rot) braucht den Vergleich mit Schneider Electric (grün) und Legrand (violett) nicht zu scheuen (Quelle: www.cash.ch)

Seit dem vergangenen Herbst ist die Digitalisierung bei ABB Chefsache. Zum einen wurde das Programm „ABB Ability“ ins Leben gerufen, um den Industriekonzern fit für die Zukunft zu machen. Zum anderen konnte mit Guido Jouret ein "Internet-der-Dinge"-Pionier aus dem Silicon Valley verpflichtet werden. Er berichtet direkt an Konzernchef Ulrich Spiesshofer.

Ob diese Massnahmen zusammen mit der milliardenschweren B&R-Übernahme ausreichen, um den Anschluss an die Konkurrenz nicht zu verpassen, wird sich zeigen. Die Analysten der Deutschen Bank sind diesbezüglich eher vorsichtig. Sie stufen die Aktie von ABB nur mit "Hold" und einem Kursziel von 23 Franken ein und geben jenen der beiden Rivalen Legrand und Schneider Electric ganz klar den Vorzug. Es gibt aber andere Berufskollegen, welche die Situation des Unternehmens wesentlich optimistischer einschätzen.