Binnen Jahresfrist kletterten die Konsumentenpreise im November um 10,0 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch in einer ersten Schätzung mitteilte. Noch im Oktober hatte die Teuerung bei 10,6 Prozent gelegen. Volkswirte hatten mit 10,4 Prozent gerechnet. Der leichte Rückgang vom bisherigen Rekordniveau dürfte denjenigen Währungshütern in der Europäischen Zentralbank (EZB) Argumente liefern, die eine etwas weniger kräftige Zinsanhebung auf der kommenden Dezember-Zinssitzung favorisieren. Die EZB strebt zwei Prozent Inflation als Idealwert für die Euro-Zone an. Von diesem Ziel ist sie aktuell sehr weit entfernt.

Die EZB hatte im Kampf gegen den anhaltenden Inflationsschub im Juli die Zinswende eingeleitet und die Schlüsselsätze bislang in drei Schritten um insgesamt 2,0 Prozentpunkte erhöht. Zuletzt setzte sie dabei im September und im Oktober die Zinsen in ungewöhnlichen hohen Schritten um jeweils 0,75 Prozentpunkte nach oben. Der Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten und der aktuell am Finanzmarkt als der massgebliche Zinssatz gilt, liegt damit inzwischen bei 1,50 Prozent. Die nächste Zinssitzung findet am 15. Dezember statt. Volkswirte rechneten zuletzt nach einer Reuters-Umfrage mehrheitlich mit einer Zinserhöhung um 0,50 Prozentpunkte.

Die Energiepreise fachten die Inflation im November erneut an, wenn auch der Preisanstieg nicht ganz so stark ausfiel wie noch zuletzt. Energie verteuerte sich binnen Jahresfrist um 34,9 Prozent nach 41,5 Prozent im Oktober. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak legten um 13,6 Prozent zu nach 13,1 Prozent im Oktober. Industriegüter ohne Energie verteuerten sich wie im Oktober um 6,1 Prozent. Die Preise für Dienstleistungen erhöhten sich im November um 4,2 Prozent nach 4,3 Prozent im Oktober. 

In ersten Reaktionen hiess es dazu:

Jörg Kramer, Commerzbank-Chefökonom: "Bei aller Erleichterung über die deutlich gefallene November-Inflation sollte man nicht vergessen, dass die Kerninflation ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie, Nahrungs- und Genussmittel auf dem Höchststand von 5,0 Prozent verharrte. Im kommenden Jahr dürfte der unterliegende Preisdruck hartnäckig hoch bleiben. Das Inflationsproblem des Euroraums ist noch lange nicht gelöst. Dafür sprechen die massiv gestiegenen Inflationserwartungen der Bürger sowie die anziehenden Lohnabschlüsse."

Alexander Krüger, Chevökonom Hauck Aufhäuser Lampe: "Der Rückgang der Inflationsrate ist eine schöne Momentaufnahme. Inflationsseitig ist die Kuh noch nicht vom Eis, auch wenn der Inflationsgipfel hinter uns liegen könnte. Insbesondere von der Kerninflation wird noch länger Druck ausgehen. Bis zu einem beständigen Inflationsrückgang wird es noch einige Monate dauern. Die EZB hat allen Grund, ihre Leitzinsen weiter zu erhöhen."

Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank: "EZB-Chefin Christine Lagarde wird die November-Inflationsdaten wohlwollend aufnehmen. Doch die oberste Währungshüterin räumte erst am Montag ein, dass es zu viel Unsicherheit gebe, um anzunehmen, dass die Inflationsraten bereits ihren Höhepunkt erreicht hätten. Die im November etwas geringere Inflationsrate könnte allerdings all diejenigen EZB-Ratsmitglieder bestätigen, die für eine Zinsanhebung von 'lediglich' 50 Basispunkten plädieren. Eine kleinere Zinsanhebung sollte aber nicht bedeuten, dass die EZB bereits ein Ende des Zinsanhebungszyklus im Auge hat. Die europäischen Währungshüter haben noch ein gutes Stück Weg vor sich. Ein Leitzinsniveau von drei Prozent dürfte im kommenden Jahr ins Visier rücken."

(Reuters)