Die Inflationsrate im Euro-Raum ist vor der ersten Zinssitzung der EZB im laufenden Jahr stärker als erwartet zurückgegangen. Im Januar kletterten die Verbraucherpreise binnen Jahresfrist um 8,5 Prozent, wie das europäische Statistikamt Eurostat am Mittwoch auf Basis einer ersten Schätzung mitteilte. Von Reuters befragte Volkswirte hatten mit 9,0 Prozent gerechnet. Im Dezember lag die Inflation noch bei 9,2 Prozent und im November bei 10,1 Prozent. Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte die abflauende Inflation vor ihrem Zinsentscheid am Donnerstag mit Erleichterung aufnehmen. Die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde stehen aber weiter unter Zugzwang, da die Teuerungsrate noch immer weit vom Ziel der EZB von zwei Prozent entfernt ist.

Doch auf dem Weg zu sinkenden Inflationsraten seien die Januar-Daten ein Meilenstein, sagte Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank: "Der Inflationsgipfel liegt hinter uns, es ist nun die Frage, wie schnell die Inflationsrate sinkt." Eurostat musste bei den Verbraucherpreisdaten für Deutschland allerdings auf eine eigene Schätzung zurückgreifen, da das Statistische Bundesamt wegen technischer Probleme die Veröffentlichung verschob. "Insofern könnte es bei den endgültigen Werten zu ungewöhnlich hohem Revisionsbedarf kommen", warnte Helaba-Experte Ralf Umlauf.

Die Entwicklung der Teuerung im Euroraum ist ein zentrales Entscheidungskriterium für die EZB. Experten gehen davon aus, dass die Währungshüter am Donnerstag die Schlüsselsätze wie zuvor im Dezember um einen halben Prozentpunkt anheben werden. Der an den Finanzmärkten massgebliche Einlagenzins, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt derzeit noch bei 2,0 Prozent.

«Es gibt noch keine Entwarnung»

Die Energiepreise befeuerten die Inflation im Euroraum auch im Januar. Doch der Anstieg fiel nicht mehr so massiv aus: Energie verteuerte sich binnen Jahresfrist um 17,2 Prozent nach 25,5 Prozent im Dezember. Die sogenannte Kerninflation, in der die schwankungsanfälligen Energie-, Lebensmittel-, Alkohol- und Tabak-Preise herausgerechnet werden, verharrte allerdings auf dem Vormonatswert von 5,2 Prozent. Bundesbank-Chef Joachim Nagel hatte erst jüngst darauf verwiesen, dass dieser Wert trotz der inzwischen etwas abflauenden Inflation immer noch sehr hoch sei.

KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib geht davon aus, dass die von den Währungshütern genau beobachtete Kernrate auch im laufenden Jahr hartnäckig hoch bleiben wird. "Das bewirken verbesserte Konjunkturaussichten, der enge Arbeitsmarkt, hohe Lohnforderungen und ein hoher Anteil europäischer Unternehmen, die mit weiter steigenden Verkaufspreisen rechnen", so die Expertin. Weitere Zinsschritte der EZB seien unerlässlich. Dies sieht auch Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer so: "Es gibt noch keine Entwarnung für die EZB. Sie sollte ihre Leitzinsen weiter zügig anheben."

Das Ifo-Institut rechnet in den kommenden Monaten mit weiteren Erhöhungen. "Die Inflation ist im Laufe des Jahres 2022 von Energie und Nahrungsmitteln auf viele andere Produkte übergesprungen und hat damit an Breite gewonnen. Es besteht die Gefahr, dass sich die Inflation verfestigt, was den Handlungsdruck für die EZB erhöht", sagte Ifo-Experte Sascha Möhrle.

(Reuters)