Die Pressesprecherin von Präsident Joe Biden wischte die Frage schnell beiseite, als sie gegen Ende ihrer täglichen Pressekonferenz am Dienstag kam. Nein, sagte Karine Jean-Pierre, es bestehe keine Möglichkeit, dass jemand im Weissen Haus den Inflationsbericht vom November vor seiner Veröffentlichung um 8:30 Uhr Ortszeit durchsickern liess. Um "geringfügige Marktbewegungen" werde zu viel Aufhebens gemacht.

Doch die Rally, die in den Sekunden stattfand, bevor die besser als erwartet ausgefallenen Inflationszahlen am Dienstag auf der Website des Arbeitsministeriums auftauchten, war nicht geringfügig.

Die Aktien-Futures stiegen plötzlich um mehr als 1 Prozent. Der Handel mit US-Treasury-Futures zog sprunghaft an und drückte die Benchmark-Rendite um etwa 4 Basispunkte. In einem so kurzen Zeitraum sind das grosse Bewegungen - grösser als die Schwankungen einer ganzen Sitzung an manchen Tagen. Und sie sollten von den Aufsichtsbehörden unter die Lupe genommen werden, meinen langjährige Marktbeobachter, obgleich ein Leck nur eine von mehreren möglichen Erklärungen dafür ist, warum Händler kurz vor der Veröffentlichung des Berichts plötzlich zu kaufen begannen.

Signifikante "Handelsaktivitäten im Vorfeld von marktverändernden Nachrichten sind verdächtig und in der Regel einer Untersuchung durch die Aufsichtsbehörden würdig", so Jerome Selvers, Chef der Abteilung für die Durchsetzung von Wertpapiervorschriften bei Pashman Stein Walder Hayden. "Dies ist ungewöhnlich, vor allem angesichts des gemeldeten Rückgangs der Inflation, der weit über das hinausging, was die Märkte erwartet hatten", führte er aus. "Jemand wird das wahrscheinlich untersuchen, ob etwas dahinter steckt oder nicht."

Ob und wann eine solche Untersuchung stattfindet, bleibt natürlich abzuwarten. Das amerikanische Bureau of Labor Statistics erklärte, nichts von einer vorzeitigen Veröffentlichung seiner Daten zu wissen. Einige Regierungsbeamte erhielten die Daten routinemäßig vor der Veröffentlichung, entsprechend Bundesrichtlinien.

Innerhalb von 60 Sekunden vor der Veröffentlichung der US-Inflationszahlen wurden am Dienstag mehr als 13'000 März-Futures auf zehnjährige Treasuries gehandelt. Normalerweise stockt so kurz vor der Zahlenvorlage der Handel. Unmittelbar nach der Veröffentlichung der Daten zogen Aktien und Anleihen weiter an. Anleger spekulierten darauf, dass die Abkühlung der Inflation zu einer Pause im Straffungszyklus der Federal Reserve führen könnte.

Lebensmittel und Energie ausgeklammert, stiegen die US-Verbraucherpreise im November im Monatsvergleich um 0,2 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr zogen sie um 6 Prozent an. In einer Bloomberg-Umfrage unter Ökonomen hatte die mittlere Schätzung bei einem Monatsanstieg um 0,3 Prozent gelegen.

(Bloomberg)