Die Bundesbank, die Finanzaufsichtsbehörde BaFin und mehrere Branchenverbände verstärkten ihre Vorbereitungen für einen solchen Fall, sagten vier mit den Gesprächen vertraute Personen. Teil der Pläne sei der Aufbau der Bargeldbestände bei der Bundesbank und eine mögliche Begrenzung der Summen, die Kunden von ihren Konten abheben könnten, sagte einer der Insider. Die Banken und die Aufsichtsbehörden prüften ausserdem mögliche Schwachstellen bei der Bargeld-Verteilung, sagten andere.
Bargeld spielt in der deutschen Wirtschaft nach wie vor eine grosse Rolle. Bei einem Stromausfall wären elektronische Zahlungssysteme und Bankautomaten ausser Betrieb. "Im Fall eines Blackouts wird Bargeld das einzige offizielle Zahlungsmittel sein, was noch funktioniert", schätzt Thomas Leitert, Vorstandschef der Firma KomRe, die Städte bei der Vorbereitung von Stromausfällen und anderen Katastrophen berät.
Ein Bericht über die Folgen eines dauerhaften Stromausfalls im Auftrag des Bundestags hatte 2011 gewarnt, dass es "zu Unmut und teils zu aggressiven Auseinandersetzungen" kommen könnte, wenn die Bargeldversorgung kollabiere. "Die Menschen haben Angst, sich nicht mehr mit Nahrungsmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs versorgen zu können," hiess es in dem Bericht.
Eine Achillesferse im Krisenfall sind aus Sicht von Insidern die Geldtransportdienstleister, die das Bargeld von der Bundesbank zu den Bankfilialen und Geldautomaten bringen. Die Branche, zu der Firmen wie Brink's und Loomis gehören, fordert, dass sie in einem Krisenfall als Teil der kritischen Infrastruktur bewertet wird und vorrangigen Zugang zu Treibstoff und Telekommunikationsdienstleistungen bekommt. Sonst sei man im Falle eines längeren Stromausfalls nicht in der Lage, Bargeld auszuliefern. "Es gibt große Regulierungslücken im Gesetz", sagt der Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW), Andreas Paulick. "Wir müssen uns präventiv mit dem Blackout-Szenario befassen."
Die Banken hierzulande seien aus Sicht der Aufsichtsbehörden für eine solche Krisensituation nicht ausreichend vorbereitet, sagte ein Behördenvertreter, der nicht namentlich genannt werden wollte.
Viele Deutsche befürchten Black-Out
Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung in Deutschland befürchtet laut einer Civey-Umfrage von Anfang November einen Blackout in den kommenden sechs Monaten. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) hält einen Blackout für unwahrscheinlich, wie der Branchenverband auf Reuters-Anfrage mitteilte. Man sei zu diesem Thema aber im Austausch mit den Behörden, um in einer Notlage die Finanzdienstleistungen am Laufen halten zu können. Auch die DK setzt sich dafür ein, dass Rechenzentren, Bargeldversorgung und Zahlungsverkehr zur kritischen Infrastruktur gezählt werden.
In den ersten Monaten der Corona-Pandemie war der Bedarf an Bargeld schlagartig gestiegen: Im März 2020 wurde in Deutschland 20 Milliarden Euro mehr an Bargeld abgehoben als eingezahlt - eine Rekordsumme für die Deutsche Bundesbank, die für die Bargeldversorgung zuständig ist. Das lief ohne Probleme. Einem Insider zufolge hat die Bundesbank genug Bargeldbestände im Falle einer ähnlichen Zuspitzung des Bedarfs.
Wie viel Bargeld die Bürger beim Ausfall von Karten- und Online-Zahlungen tatsächlich benötigen, lässt sich für die Behörden aber schwer einschätzen. Die wenigsten Bürgerinnen und Bürger verfügten über nennenswerte Bargeldbestände, erläutert KomRe-Chef Leitert. Der Durchschnitt liege bei 120 Euro pro Person. "Wie soll aber die Ravioli-Dose oder die letzte Packung Kerzen bezahlt werden?"
(Reuters)