Als erste Frau in Japan hat Sanea Takaichi das Rennen für den Vorsitz der japanischen Regierungspartei LDP für sich entschieden. Damit steht die 64-Jährige kurz davor, es ihrem Vorbild, der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher, gleichzutun und die erste Regierungschefin ihres Landes zu werden. Ihr stehen jedoch schwere Aufgaben bevor. Takaichis überraschender Sieg als Verfechterin einer lockeren Fiskalpolitik könnte das Vertrauen der Anleger in eine der am höchsten verschuldeten Volkswirtschaften der Welt erschüttern. Politische Analysten gehen zudem davon aus, dass ihre nationalistische Haltung die Spannungen mit dem mächtigen Nachbarn China anheizen könnte. Des Weiteren hat Takaichi die Neuverhandlung eines Investitionsabkommen mit den USA ins Spiel gebracht, mit dem die von Präsident Donald Trump erhobenen Zölle auf japanische Waren gesenkt wurden.
Nachdem sie im vergangenen Jahr in einer Stichwahl um den Parteivorsitz noch Shigeru Ishiba unterlegen war, wird Takaichi nun das Parlament um die Bestätigung als dessen Nachfolgerin ersuchen. Dies gilt als wahrscheinlich, da die LDP die grösste Partei im Abgeordnetenhaus ist. Sicher ist es jedoch nicht, da die Regierungskoalition nach Verlusten bei Wahlen im vergangenen Jahr unter Ishiba in keiner der beiden Kammern mehr über eine Mehrheit verfügt. Einer der ersten Termine Takaichis als Regierungschefin dürfte der Empfang von US-Präsident Trump sein, der noch in diesem Monat in Japan erwartet wird. «Statt glücklich zu sein, habe ich das Gefühl, dass die eigentliche Arbeit jetzt erst beginnt», sagte Takaichi vor LDP-Abgeordneten nach ihrem Sieg.
Schlagzeug und Heavy Metal
Die frühere Ministerin für wirtschaftliche Sicherheit und innere Angelegenheiten hat Thatcher wiederholt als Inspirationsquelle bezeichnet und deren starken Charakter und ihre Überzeugungen sowie ihre «weibliche Wärme» gelobt. Sie traf die als «Eiserne Lady» bekannte konservative Politikerin nach eigenen Angaben kurz vor deren Tod 2013 bei einem Symposium. Takaichi ist selbst dafür bekannt, für Aufsehen zu sorgen - sie spielt Schlagzeug und ist Heavy-Metal-Fan. Regelmässig besucht sie den Yasukuni-Schrein, der die japanischen Kriegstoten ehrt – darunter auch hingerichtete Kriegsverbrecher – und von einigen asiatischen Nachbarn als Symbol des früheren Militarismus angesehen wird. Takaichi befürwortet zudem eine Revision der pazifistischen Nachkriegsverfassung Japans, um die Rolle des wachsenden Militärs anzuerkennen. In diesem Jahr schlug sie auch vor, dass Japan eine Art Sicherheitsallianz mit Taiwan eingehen könnte, der von China beanspruchten, demokratisch regierten Insel.
Obwohl Takaichi versprochen hat, die Zahl der Ministerinnen zu erhöhen – ein Bereich, in dem Japan hinter anderen G7-Staaten zurückliegt –, zeigen Umfragen, dass ihre konservativen Positionen eher bei Männern als bei Frauen Anklang finden. Sie lehnt die gleichgeschlechtliche Ehe ebenso ab wie die Möglichkeit für Ehepaare, unterschiedliche Nachnamen zu führen. Letzteres wird von der Bevölkerung befürwortet, stösst jedoch in konservativen Kreisen auf entschiedenen Widerstand.
Anhängerin von Abenomics
Für das grösste Aufsehen könnte jedoch ihre Wirtschaftspolitik sorgen. Als Protege des verstorbenen Shinzo Abe und langjährige Verfechterin der «Abenomics»-Konjunkturpolitik des früheren Ministerpräsidenten hat Takaichi höhere Ausgaben und Steuersenkungen gefordert, um die steigenden Lebenshaltungskosten abzufedern. Zudem hat sie die Entscheidung der japanischen Zentralbank zur Anhebung der Zinssätze kritisiert.
Bei einem Reizthema in der japanischen Öffentlichkeit hat sich Takaichi, die aus Nara in Westjapan stammt, positioniert: In einer wichtigen Rede im vergangenen Monat beklagte sie sich über Touristen, die die heiligen Hirsche im Park von Nara treten. Sie versprach ein hartes Durchgreifen gegen sich schlecht benehmende Ausländer – ein Thema, das angesichts von Rekordzuwächsen bei Migranten und Touristen für einige Wähler grosse Bedeutung gewonnen hat.
Ihrer Webseite zufolge schloss Takaichi ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Kobe ab, bevor sie als Mitarbeiterin im US-Kongress tätig war. Den Einstieg in die japanische Politik schaffte sie 1993 als Unabhängige mit einem Sitz im Unterhaus, bevor sie 1996 der LDP beitrat.
(Reuters)