Mehrere Top-30-Investoren des Schweizer Nahrungsmittelriesen Nestlé erklärten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass sie mit Amtsinhaber Paul Bulcke unzufrieden seien. Einige von ihnen hätten seinen Rücktritt entweder im kleinen Kreis oder auf Aktionärsversammlungen gefordert.

Sie machen Bulcke, der 2026 vom ehemaligen Inditex-Manager Pablo Isla abgelöst werden soll, unter anderem für die Wachstumsflaute und schwache Kursentwicklung des Konzerns verantwortlich, der neben Nespresso, Maggi und KitKat auch grosse Wassermarken im Portfolio hat.

«Nestlé befindet sich nicht in einer Krise, aber es ist der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel,» erklärte Ingo Speich, Nachhaltigkeitschef der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka Investment, die auf der diesjährigen Aktionärsversammlung gegen Bulcke gestimmt hatte.

«Er hätte gar nicht erst Präsident werden sollen»

Der seit 2017 amtierende Bulcke kündigte Mitte Juni seinen Rücktritt zur Generalversammlung vom April 2026 an. Investoren wiesen darauf hin, dass der Zeitpunkt der Ankündigung ungewöhnlich ist - zwei Monate nach Bulckes Wiederwahl für eine weitere einjährige Amtszeit. Über die Jahre verlor der mittlerweile 70-Jährige an Rückhalt. Stimmten 2017 noch 95,7 Prozent der Eigner für ihn, so waren es 2025 nur noch 84,8 Prozent. In der Schweiz sind deutlich höhere Zustimmungsraten üblich.

«Dies war ein klares Zeichen dafür, dass viele Investoren ihn nicht mehr schätzen», sagte der Investor. «Er hätte gar nicht erst Präsident werden sollen - wir mögen es nicht, wenn ein CEO ohne Abkühlungsphase Präsident wird.» Vor seinem gegenwärtigen Amt war der belgisch-schweizerische Doppelbürger Nestle-Konzernchef.

Auch andere Investoren sind unglücklich über die Praxis von Nestlé, eigene CEOs zu Präsidenten zu machen, ein Weg, der etwa bei Peter Brabeck und Helmut Maucher beschritten wurde. «Das Nestle-Modell, bei dem der ehemalige CEO zum Präsidenten ernannt wird, sollte abgeschafft werden», erklärte Speich. «Nestle war in der Vergangenheit zu sehr abgeschottet.»

Ein Nestle-Sprecher erklärte, Bulcke habe sich entschieden. nicht zur Wiederwahl anzutreten, denn der neue CEO Laurent Freixe sei inzwischen etabliert. Zudem sei die Strategie klar. «Dieser Zeitpunkt gewährleistet einen reibungslosen Übergang und gibt dem neuen Führungsteam ausreichend Zeit und Raum, sich einzugewöhnen.»

«Pablo Isla ist eine gute Lösung»

Auch mit der Wachstumsflaute sind die Anleger unzufrieden, 2024 hinkte Nestle Rivalen wie Unilever und Danone hinterher. Dafür musste vor allem Konzernchef Mark Schneider die Konsequenzen tragen. Nachdem der frühere Lenker des Medizintechnikkonzerns Fresenius Ziele verfehlt und an Rückhalt bei Investoren und Mitarbeitern verloren hatte, wurde er im August 2024 überraschend durch den Firmenveteranen Freixe abgelöst.

Anleger werfen Bulcke vor, zu lange an Schneider festgehalten und ihn dann zu abrupt ausgewechselt zu haben. «Safe-Haven-Unternehmen wie Nestle sollten den Markt nie überraschen,» sagte ein Aktionär. Kurz vor seinem Abgang habe Schneider noch Roadshows mit Investoren abgehalten.

Ein weiterer Investor erklärte, Nestle habe in den vergangenen Jahren wohl zu viel Geld an die Aktionäre ausgeschüttet und das mit Kürzungen bei Marketingausgaben finanziert, was schliesslich zu der Wachstumsschwäche beigetragen habe. Für die Ausschüttungen trage der Verwaltungsrat die Verantwortung, so der Investor. Die vergleichsweise hohe Verschuldung enge zudem den Spielraum für zukünftige Ausschüttungen ein. «Die Aktionäre wollen nur eines: Rendite. Und wenn die nicht da ist, dann sind die Leute unglücklich.»

Freixe steuert nun gegen und will unter anderem mit höheren Marketing-Ausgaben das Wachstum wieder ankurbeln. Bei den Investoren muss Nestle noch Überzeugungsarbeit leisten. Im laufenden Jahr sich die Nestle-Aktie zwar etwas erholt, notiert mit knapp 79 Franken aber immer noch weit unter dem Höchststand von knapp 130 Franken Anfang 2022. Im gleichen Zeitraum haben Unilever und Danone deutlich zugelegt.

Die Hoffnungen ruhen nun auch auf Isla, der von 2005 bis 2022 Chef der Zara-Mutter Inditex war. «Wir brauchen bei Nestle eine bessere Execution», erklärte Simon Jäger, Portfolio Manager des Nestle-Grossanlegers Flossbach von Storch. «Deshalb ist es gut, wenn auch auf dem Posten des Präsidenten frischer Wind reinkommt.»

Inditex sei eines der am besten geführten Unternehmen in einem ultrakompetitiven Sektor und habe es auch in Krisen geschafft, eine hohe Profitabilität zu halten. «Dabei war Pablo Isla federführend. Und weil er auch Nestle schon kennt, ist er eine gute Lösung.» 

(Reuters)