Irans Oberstem Führer Ajatollah Ali Chamenei droht eine wachsende Isolation. Israel ist es Insidern zufolge gelungen, bei den anhaltenden Angriffen die wichtigsten militärischen und sicherheitspolitischen Berater des iranischen Staatsoberhaupts auszuschalten. Diese Verluste haben erhebliche Lücken in seinem inneren Kreis gerissen und das Risiko strategischer Fehlentscheidungen erhöht, wie fünf mit seinem Entscheidungsprozess vertraute Personen berichten.
Seit Freitag wurden mehrere hochrangige Militärkommandanten getötet, darunter Chameneis Hauptberater aus den Reihen der Revolutionsgarden. Zu den Getöteten zählen der oberste Kommandeur der Garden, Hossein Salami, der Leiter des Luft- und Raumfahrtprogramms, Amir Ali Hadschisadeh, der das ballistische Raketenprogramm des Iran führte, und Geheimdienstchef Mohammed Kassemi. Diese Männer waren integraler Bestandteil von Chameneis innerem Kreis, der den Angaben zufolge aus etwa 15 bis 20 Beratern besteht.
Ein Insider, der regelmässig an Treffen mit Chamenei teilnimmt, beschrieb die aktuelle Situation als «äusserst gefährlich» und wies auf das erhöhte Risiko von Fehlkalkulationen in Fragen der Verteidigung und inneren Stabilität hin. Der innere Kreis, bekannt für seine unerschütterliche Loyalität zu Chamenei, trifft sich demnach je nach Bedarf in der Regel in seinem Anwesen in Teheran, um wichtige Entscheidungen zu besprechen.
«Achse des Widerstands» gebrochen
Der Verlust wichtiger militärischer Führungskräfte hat die Befehlskette innerhalb einer Organisation unterbrochen, die seit Chameneis Aufstieg zum Obersten Führer im Jahr 1989 als zentral für seine Macht gilt. Zusätzlich zum Verlust der militärischen Berater ist Chamenei durch jüngste Rückschläge bei regionalen Verbündeten weiter isoliert. Der Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah wurde im September vergangenen Jahres bei einem israelischen Luftangriff getötet, der syrische Präsident Baschar al-Assad wurde im Dezember von Rebellen gestürzt. Diese Entwicklungen haben Irans «Achse des Widerstands» geschwächt.
Chameneis Sohn Modschtaba hat in den vergangenen 20 Jahren eine zunehmend zentrale Rolle im Entscheidungsprozess eingenommen. Von einigen Insidern als potenzieller Nachfolger seines Vaters betrachtet, hat Modschtaba enge Beziehungen zu den Revolutionsgarden aufgebaut. Weitere einflussreiche Persönlichkeiten sind Ali Asghar Hedschasi, stellvertretender Leiter für politische Sicherheitsangelegenheiten in Chameneis Büro, sowie Mohammed Golpajegani, Leiter von Chameneis Büro.
Chamenei zeigt sich als ein unerschütterlicher Verfechter des islamischen Regierungssystems im Iran. Gegenüber dem Westen hegt er tiefes Misstrauen. Er wurde vor der Revolution von 1979 inhaftiert und vor seinem Amtsantritt 1989 bei einem Bombenanschlag schwer verletzt. Chamenei wurde wiederholt auf die Probe gestellt. In den Jahren 1999, 2009 und 2022 setzte er die Revolutionsgarden zur Niederschlagung nationaler Proteste ein.
«Es gibt zwei Dinge, die man über Chamenei sagen kann: Er ist extrem stur, aber auch extrem vorsichtig», sagt Alex Vatanka, Direktor des Iran-Programms bei der Denkfabrik Middle East Institute in Washington. «Er ist sehr vorsichtig. Deshalb ist er schon so lange an der Macht.» Chamenei sei in der Lage, «die grundlegende Kosten-Nutzen-Analyse» vorzunehmen, die am Ende auf die eine zentrale Frage hinauslaufe: «Das Überleben des Regimes.»
Revolutionsgarden direkt unterstellt
Mit seiner zentralisierten Herangehensweise ist Chameneis Büro den Insidern zufolge nicht nur auf die grossen Staatsfragen konzentriert, sondern auch in die Umsetzung selbst kleinerer Initiativen involviert. Dies ermöglicht es ihm, seinen Einfluss direkt auf eine Vielzahl von Institutionen auszudehnen. Während sich der Konflikt mit Israel verschärft, steht Chameneis Fähigkeit, diesen kritischen Moment zu bewältigen, unter intensiver Beobachtung, wie es weiter heisst.
Der Verlust der Kommandeure der Revolutionsgarden hat die obersten Ränge einer militärischen Organisation dezimiert, die Chamenei ins Zentrum seiner Macht gestellt hat. Die Revolutionsgarden, die direkt Chamenei unterstellt sind, erhalten die beste militärische Ausrüstung für ihre Land-, Luft- und Seestreitkräfte und verleihen ihren Kommandeuren eine bedeutende staatliche Rolle. Im Gegensatz dazu verläuft die Befehlskette der regulären Armee über das Verteidigungsministerium unter dem gewählten Präsidenten.
(Reuters/cash)