Die Aktien des Versicherungskonzerns Zurich Insurance haben derzeit an der Börse einen schweren Stand. Minus 5 Prozent in den letzten drei Monaten, minus 7 Prozent seit Jahresbeginn. Anstatt den ansehnlichen Dividendenabschlag von Mitte April aufzuholen, hat sich der Titel in die für Anleger nachteilige Richtung entwickelt.

Dabei hat Zurich Insurance in der ersten Jahreshälfte 2023 mit dem Betriebsgewinn die Erwartungen des Marktes übertroffen. Zugleich wurde mit den Zahlen Anfang August bekannt, dass der Versicherungskonzern die Einnahmen vor allem in der Schaden- und Unfallversicherung gesteigert hat. Wie erklärt sich trotz dieser vordergründig erfreulichen Geschäftsentwicklung die anhaltende Schwächephase des Titels?

“Genau genommen übertrifft das BOP (Business Operating Profit) die Erwartungen. Das ist eine interne Kennziffer, die vom Management adjustiert wird. NIAS (Net Income Attributable to Shareholders) lag unter den Erwartungen”, wendet Vontobel-Analyst Simon Fössmeier auf Anfrage von cash.ch ein. Ausserdem fehle dem Markt noch die Erfahrung mit IFRS 17. Und: Verglichen mit dem Wettbewerber Chubb sähen die Zahlen nicht so gut aus. 

IFRS 17, Aktienrückkaufprogramm und Bewertung

Seit dem 1. Januar erfolgt die Rechnungslegung der grösseren gelisteten Versicherer in der Schweiz nach den Spielregeln von IFRS 17. Diese dreht sich im Kern darum, wie die Kosten und Erträge etwa bei länger laufenden Lebensversicherungsverträgen realitätsnaher dargestellt werden können. Die Umstellung auf IFRS 17 hat gezeigt, dass das Lebensversicherungsgeschäft der Zurich im Vergleich nicht so profitabel ist wie angenommen.

Auch sonst ist die Kursunterstützung an der Börse rückläufig: Anfang Juni hat Zurich das im November 2022 lancierte Aktienrückkaufprogramm im Umfang von 1,8 Milliarden Franken abgeschlossen. Insgesamt wurden rund 4,1 Millionen Aktien zu einem durchschnittlichen Kaufpreis von 438,55 Franken gekauft.

Und auch die Bewertung ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für 2024 von 13 trotz Kursschwäche im Branchenvergleich relativ hoch: Allianz (10), AXA (8), Generali (9) und Chubb (11) handeln mit einer tieferen Bewertung.

Absehbare Kurskatalysatoren und starke Kapitalisierung

Die nächsten Kurskatalysatoren sind aber schon absehbar: Einerseits ist dies der Verkauf des deutschen Lebensversicherung-Bestand - die Transaktion ist angekündigt aber noch nicht genehmigt -, andererseits findet der Investorentag am 16.November statt. 

Die Zurich sei sehr gut in die neue, bis 2025 laufende Strategieperiode gestartet, sagte Konzernchef Mario Greco zudem an der Telefonkonferenz zu den Halbjahreszahlen Anfang August. Man werde weiterhin den Fokus auf organisches Wachstum legen und sei dazu sehr gut kapitalisiert. Die Quote des Schweizer Solvenztests (SST) lag per Mitte Jahr mit geschätzten 263 Prozent weiterhin klar über dem von der Gruppe angestrebten Wert von über 160 Prozent.

Gerade die starke Kapitalisierung spricht trotz der Bewertung für ein Investment in Zurich Insurance. Denn damit ist eine höhere Dividende oder Aktienrückkäufe vorstellbar. “Grundsätzlich ist Zurich Insurance ein Dividendentitel, kein value play”, sagt auch Fössmeier, der die Aktie mit Hold einstuft. 

Für das Jahr 2022 wurde eine Dividende von 24,00 Franken bezahlt. Zurich Insurance hat von 2000 bis 2022 in 22 von 23 Jahren eine Dividende ausgeschüttet. Diese belief sich um allfällige Kapitalveränderungen bereinigt im Schnitt auf 14,85 Franken pro Namenaktie. Für das laufende Jahr erwarten Analysten im Schnitt eine Dividende von 26,00 Franken - dies entspricht zu aktuellen Kursen einer Ausschüttungsrendite von 6,3 Prozent.

Dividende spricht für einen Kauf

Fössmeier befindet sich mit seiner neutralen Beurteilung in guter Gesellschaft: 15 der 25 von Bloomberg befragten Analysten haben ein “Hold”-Rating stehen. Gleichzeitig stehen sieben “Buys” drei “Sells” gegenüber. Das durchschnittliche Aufwärtspotenzial beträgt 8 Prozent.

Damit es tatsächlich höher geht, darf es aber keine Verzögerung oder Nicht-Genehmigung der Transaktion des Lebensversicherungsgeschäfts in Deutschland geben. Und auch ein erneuter Anstieg der Inflation würde den Titel unter Druck setzen. Das grösste Risiko sind Abschreibungen auf dem Anleihenportfolio, wenn Konkurse stark ansteigen - was derzeit aber unwahrscheinlich ist.

Was bleibt, ist für viele Anlegerinnen und Anleger mit Fokus auf starke Kursrenditen wohl ernüchternd: Bei Zurich Insurance sind die nachhaltigen und relativ hohen Dividendenausschüttungen das schlagende Kaufargument. Aber es ist gleichzeitig ein gutes und langfristig wohl lohnenswertes Argument.

ManuelBoeck
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