Jan Jenisch ist seit Juni Verwaltungsratspräsident und CEO der Holcim-Abspaltung Amrize. Zuvor war er in gleicher Mission tätig bei Sika und Holcim. Alle drei Firmen sind in der Baumaterialbranche tätig.

Damit hören die Gemeinsamkeiten aber auf. Denn ein Blick auf die Aktienkurse zeigt: Die Leistung von Amrize, Holcim und Sika könnte an der Börse nicht unterschiedlicher sein. Während die Holcim-Valoren seit Jahresbeginn um 50 Prozent gestiegen sind, resultiert bei Amrize seit dem Spin-Off von Holcim am 23. Juni 2025 ein Minus von 17 Prozent. Bei Sika wiederum ging es seit Jahresanfang sogar um 18 Prozent runter - auf den tiefsten Stand seit über fünf Jahren.

Der langfristige Performance-Vergleich zwischen Holcim und Sika spricht eine noch deutlichere Sprache. Über die letzten fünf Jahre legte die Holcim-Valoren um 270 Prozent zu, während Sika sich um 17 Prozent zurückbildeten. Wie sollen sich Investoren verhalten bei der unterschiedlichen Kursentwicklungen dreier verschiedener Konzerne, die aber mehr oder weniger in der selben Branche tätig sind?

Sich wegen der Kursrally von Holcim zu verabschieden, wäre gemäss dem Börsenmotto «Let the winners run» verfehlt. Bei dieser Anlagestrategie werden profitable Wertpapiere oder Anlagen länger im Depot gehalten, um ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Dies bestätigt auch ein Blick auf die Ratings der Analysten. Diese stufen gemäss Daten von Bloomberg die Holcim-Aktie 17 Mal mit «Kaufen», sechs Mal mit «Halten» und einmal mit «Verkaufen» ein. 

Holcim ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 20 immer noch günstiger bewertet als Sika mit 23. Die aktuelle Rallye von Holcim spiegelt sich aber in den Kurszielen der Analysten, welche dem Titel im Schnitt noch ein Kurspotenzial auf 69 Franken zutrauen. Das ist nicht weit entfernt vom aktuellen Kurs bei 67 Franken.

Seit Anfang August pendelt die Holcim-Aktie seitwärts. Im Vergleich zur europäischen Branchenkonkurrenz wie Buzzi oder Vicat dürften die Produktionskapazitäten von Holcim im dritten Quartal stärker von Wetterphänomenen betroffen sein, schreiben die Analysten von Barclays in einer Kundennotiz vor Wochenfrist. Deshalb könnte die Zahlen im dritten Quartal etwas schwächer als erwartet ausfallen. Für Zukäufe bei Holcim könnte es also noch zu früh sein.

Trotz vieler Kauf-Ratings hat die Sika-Aktie weiter verloren

Sika ist nicht vom Wetter abhängig, sondern von der Entwicklung im Automobilgeschäft. In schwierigen Endmärkten verfehlte Sika die Markterwartungen bei den Halbjahresergebnissen leicht, zumal die negativen Währungseffekte hart durchschlugen.  Der Ausblick für den Umsatz im zweiten Halbjahr wurde vorsichtiger formuliert. Trotzdem geht der Baustoff- und Klebstoffspezialist für das zweite Halbjahr von einer starken Rentabilität aus dank Synergieeffekten aus Akquisitionen, wie Vontobel in einem Kommentar schrieb.

Entsprechend erwarteten die Experten des Zürcher Vemögensverwalters Ende Juni 2025 für das zweite Halbjahr eine Verbesserung und meinten nach der Publikation der Zahlen: «Mit einem Bewertungsabschlag gemessen am Unternehmenswert im Verhältnis zum Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EV/Ebitda) von 13,2 für 2025 erscheint der Zeitpunkt für eine Investition in diese Qualitätsaktie mit führenden Marktpositionen günstig.»  

Allerdings: Trotz Bestätigung des Kauf-Ratings Ende Juli hat der Titel seither weitere 15 Prozent an Wert verloren. Die Experten von Vontobel sind nicht die einzigen, welche zu früh auf einen Turnaround bei Sika gesetzt haben. Denn satte 14 Kauf-Empfehlungen von Analysten stehen zehn Mal «Halten» und zwei Mal «Verkaufen» gegenüber. Das durchschnittliche Kursziel von 249 Franken mit einem Aufwärtspotenzial von mehr als 30 Prozent lässt sich sehen.

Aber auch Sika scheint der klassische Fall zu sein, wo es mit den Kursen weiter in den Keller gehen kann, selbst wenn ein Grossteil der Experten an das Potenzial der Firma glaubt. Eine Trendwende kann mehr Zeit in Anspruch nehmen als gedacht. Das gilt nicht nur für Sika, sondern dürfte langjährigen Holcim-Aktionären ebenfalls schmerzhaft bekannt sein.

Der Titel benötigte von 2007 bis 2025 lange 18 Jahre, um auf ein neues Allzeithoch vorzustossen. In der Spitze hatte das Dividendenpapier zwischen April 2007 und Januar 2009 rund 80 Prozent an Wert verloren. Anleger, die bei Sika einsteigen, müssen potenziell einen langen Atme haben.

Amrize mit holprigem Start

Die Valoren der von Holcim abgetrennten Amrize haben seit der Erstnotiz einen holprigen Start - die Aktie taucht regelmässig unter denjenigen mit den höchsten Kursausschlägen im SMI auf. In den letzten drei Monaten pendelte der Kurs zwischen 46 und 35,2 Franken hin und her. Die Anfang August publizierten Quartalszahlen fielen gemischt aus, was den Titel zwischenzeitlich auf ein Jahrestief drückte. 

Mittelfristig erwartet Amrize ein deutliches Wachstum im US-Baustoffmarkt. Laut Bloomberg-Prognose sollte der Umsatz in diesem Jahr voraussichtlich um vier Prozent auf 12,2 Milliarden US-Dollar steigen und der Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) um 2,5 Prozent auf 3,26 Milliarden US-Dollar. Das neue Unternehmen ist einem Markt mit einem potenziellen Volumen von 175 Milliarden Dollar tätig. Dieser umfasst den Neubau und die Sanierung von Infrastruktur, den privaten Wohnungsbau und andere expandierende Industrien.

Das mittelfristige Potenzial des US-Zementherstellers ist unbestritten. Aber ähnlich wie bei Sika fragt sich, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für den Einstieg ist. Die Risiken sind wegen der immer noch erhöhten Inflation, der schwächelnden privaten Bautätigkeit, Konjunktursorgen rund um die US-Zölle und einen möglichen Shutdown nicht auszublenden.

Für risikofreudige Trader dürfte die Aktie wegen der verhältnismässig hohen Schwankungsanfälligkeit interessant sein. Wer die Aktien nach dem Spin-Off behalten hat, kann bei einem langfristigen Zeithorizont investiert bleiben.

Jan Jenisch hat dem Börsenkurs von Sika zwischen 2012 und 2017 sowie bei Holcim 2018 bis 2025 erfolgreich seinen Stempel aufgedrückt. Die Zukunft wird zeigen, ob ihm dies auch bei Amrize gelingt. 

 

Thomas Daniel Marti
Thomas MartiMehr erfahren