Sollte es in den nächsten Wochen oder Monaten zum Platzen einer Anlegerblase rund um die Künstliche Intelligenz (KI) kommen, womöglich gefolgt von einem Börsen-Crash, dann werden die Leute wahrscheinlich von einer «selbsterfüllenden Prophezeiung» sprechen. Kaum ein Börsenbeobachter, kaum ein Medium, kaum einer der wieder erwachten Untergangspropheten hat in letzter Zeit nicht mit Warnungen vor einem überhitzten Aktienmarkt gespart. «KI-Bubble ist schlimmer als Dotcom-Blase». Diese Schlagzeilen konnte man lesen.

Solche Einschätzungen sind natürlich an den Haaren herbeigezogen. Es liegt jedoch in der Natur der Märkte, dass jeder steile Anstieg irgendeinmal endet. Sei es - im eher harmlosen Fall - in einer Korrektur. Oder - im schlimmeren Fall - in einem Börsen-Crash mit Krisenfolge und den Notenbanken als Feuerlöschern. In beiden Fällen platzt eine Blase.

In welchem Ausmass es sich bei den Anstiegen der Aktien rund um KI tatsächlich um eine Anlegerblase handelt, ist höchst ungewiss. Entscheidend sind bei solchen Betrachtungen die Gewinnentwicklung der Unternehmen in der Zukunft - und die Frage, ob sich die Milliardeninvestitionen in die neuen Technologien auszahlen werden. Voraussagen kann das niemand. Und so ist es auch unmöglich zu beantworten, ob die Gewinnerwartungen gerade in Unternehmen (und Aktien) wie Nvidia gerechtfertigt sind.

Warnhinweise vor übertriebenen Hoffnungen in die KI gibt es zuhauf. Persönliche Erfahrungen in der Vergangenheit helfen dabei in der Einschätzung. Meine geht so: Ende der 1990er-Jahre wurden wir Jobanfänger zu einem Meeting mit unserem künftigen Ober-Chef der Firma zusammengezogen. Er schwor uns in die Internet-Zukunft mit der damals gehypten New Economy ein. Jeder zweite Satz begann mit den Worten: «In the age of dotcom ...». An der Börse erreichten unbekannte Unternehmen derweil irrwitzige Bewertungen. Ein paar Monate später platze die gigantische Spekulationsblase.

Das Narrativ heute: Nicht gleich, aber nicht ganz unähnlich. Wo man sich umhört im Bekanntenkreis: Alle Firmen hämmern ihren Angestellten die KI-Zukunft ins Hirn - oft ohne dabei verfügbare oder absehbare Lösungen zu präsentieren. Getrieben scheint dies in einigen Fällen von nicht aus Überzeugung an der Sache, sondern von der Ungewissheit, was die Zukunft bringt. Und dass man da nun irgendwie mitmachen muss.

Eine Warnung sollte den Anlegern auch die zunehmenden Verflechtungen unter Tech-Firmen sein. Es sind die Finanzierungen, Quersubventionierungen und gegenseitigen Aufblähungen und Abhängigkeiten. Im Zentrum steht dabei das KI-Forschungsunternehmen OpenAI. Dessen Chef Sam Altman will in den nächsten acht Jahren 1,4 Billionen Dollar in KI investieren.

Die Firmen stehen Schlange und machen Deals: Microsoft stopft 13 Milliarden Dollar in OpenAI, OpenAI kauft Dienstleistungen in derselben Höhe zurück. Nvidia investiert 100 Milliarden Dollar in OpenAI, OpenAI kauft dafür moderne Nvidia-Chips. Oracle investiert 300 Milliarden Dollar in Rechenzentren, OpenAI soll für dieselbe Summe Rechenleistungen von Oracle beziehen. Die Tech-Firmen finanzieren sich quasi den eigenen Umsatz. Die Kreditrisiken rund um OpenAI für Investoren, Banken oder Firmen wie Oracle und Coreweave betragen laut «Financial Times» 100 Milliarden Dollar.

OpenAI schreibt derzeit Milliardenverluste. Doch «eines Tages müssen wir sehr profitabel werden», sagt Sam Altman. Was passiert, wenn das nicht gelingt? Wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass die Produktivitätsniveaus nicht so schnell erreicht werden, wie es die Bewertungen vorsehen? Oder wenn ein neues chinesisches DeepSeek auftaucht? Dann nehmen die Investoren den Notausgang. 

Um grössere Unternehmen wie Microsoft oder Meta muss man keine Angst haben. Kursverluste werden solche Firmen über die Zeit wieder ausgleichen.

Kritisch wird es jeweils für Firmen mit hohen Schulden und schlechten Bilanzen. Oracle zum Beispiel nahm Kredite in der Höhe von 56 Milliarden Dollar für den Ausbau von KI-Rechenzentren auf. Die Gesamtverschuldung liegt nun bei 100 Milliarden Dollar. Ganz geheuer ist dies den Investoren offensichtlich nicht. Die Credit Default Swaps (Kreditausfallversicherungen) von Oracle sind jüngst auf den höchsten Stand seit drei Jahren gestiegen und nähern sich dem Rekordwert von 2008.

Unter Umständen muss man als Anleger einen langen Atem haben - ja nach Ausmass eines Börsenrückganges. Das Internet-Startup Amazon zum Beispiel kam 1997 an die Börse, die Aktie verlor beim Platzen der Dotcom-Bubble bis 90 Prozent an Wert. Die Anleger sassen jahrelang auf Buchverlusten. Wer dabei geblieben ist, hat heute eine Kurssteigerung von 4700 Prozent.

Und was in der Schweiz oft vergessen geht: Wer Aktien von heute soliden Firmen wie Zurich Insurance oder Swiss Re zum «dümmsten» Zeitpunkt während der Jahrtausendwende gekauft hat, sitzt auch 25 Jahre später auf Buchverlusten. Die Titel haben die Kursniveaus bis heute nicht mehr erreicht. Die Aktie von ABB brauchte 24 Jahre bis zum «Break Even».