Monatelang hatten CDU-Chef Friedrich Merz und der CSU-Vorsitzende Markus Söder betont, dass sie eine gemeinsame Entscheidung über die Unions-Kanzlerkandidatur treffen würden. Gegenseitige Treueschwüre gab es sogar noch, als Bayerns Ministerpräsident zuletzt erstmals offen sagte, dass er doch als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2025 bereitstünde. Nun aber hat die CDU innerhalb von drei Tagen die Entscheidung in einem fintenreichen Alleingang getroffen: Weil sich der Vorstand der nordrhein-westfälischen CDU samt Ministerpräsident Hendrik Wüst für Merz aussprachen, war diesem die Kandidatur nicht mehr zu nehmen - egal wie Söder reagieren sollte. «Um es kurz zu machen, die K-Frage ist entschieden. Friedrich Merz macht's», sagte Söder dann beim gemeinsamen Auftritt in Berlin und durfte den Beschluss verkünden. «Ich bin damit fein und unterstütze es ausdrücklich.»

In der Union heisst es, dass die CSU die schnelle Vorentscheidung selbst forciert habe. Denn obwohl man sich einig war, dass man die Entscheidung um die ostdeutschen Landtagswahlen im «Spätsommer», also im September, treffen würde, brachte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt plötzlich den Oktober ins Spiel. Das sorgte für Irritationen. Zugleich traf Söder weitreichende Aussagen über die nächste Bundesregierung: Er werde als CSU-Chef ein Bündnis mit den Grünen auf jeden Fall verhindern, kündigte der Vorsitzende der kleinen Schwesterpartei in der Union an. Merz hatte dagegen zwar immer wieder die inhaltlichen Differenzen mit den Grünen betont, aber ausdrücklich keine Koalition ausgeschlossen.

«Die Sorge war, dass Söder immer weitere Festlegungen treffen wird», sagt ein CDU-Politiker zu Reuters. Sobald die K-Frage geklärt ist, so das Kalkül, muss sich der bayerische Ministerpräsident stärker einordnen. Also kamen seit Samstag führende CDU-Politiker wie der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, und der hessische Ministerpräsident Boris Rhein aus der Deckung, pochten auf eine Entscheidung nach der Brandenburg-Wahl am 22. September und betonten, dass Merz sehr gute Chancen habe.

Aber die Entscheidung fiel am Montagabend mit der Festlegung der NRW-CDU - dem mit Abstand grössten CDU-Landesverband. «Friedrich Merz kann sich auf die Unterstützung seines Heimatverbandes verlassen», kündigte Ministerpräsident Wüst an, der eigene Ambitionen zugunsten des Parteichefs zurückstellte. Offiziell fügte Wüst hinzu, dass man nun mit der CSU «auf Augenhöhe» eine Entscheidung treffen werde - die die grosse Schwesterpartei aber de facto längst getroffen hat.

Und Wüst schickte eine freundlich verkleidete Warnung hinterher: «Ich würde mich sehr freuen, wenn auch die CSU Friedrich Merz als gemeinsamen und starken Kandidaten unterstützt.» Geschlossenheit zwischen den Unionsschwestern würde «unsere gemeinsamen Wahlchancen enorm erhöhen». Im Klartext: Söder soll sein Vorgehen von 2021 nicht wiederholen. Damals hatte er seine Niederlage im Kampf um die Unions-Kanzlerkandidatur gegen Armin Laschet nicht verwunden und war aus Sicht vieler CDU-Politiker mit seinen Sticheleien gegen Laschet sogar noch bei den Sondierungen mit Grünen und FDP nach der Wahl mitverantwortlich, dass kein Jamaika-Bündnis zustande kam. «Das haben ihm viele in der CDU nicht vergessen. Er würde nie die Unterstützung des CDU-Bundesvorstands bekommen», sagt ein führender Christdemokrat zu Reuters.

Söder gibt nach - «und zwar nicht zähneknirschend»

Der gemeinsame Auftritt von Merz und Söder sollte vor allem grosse Einigkeit und Geschlossenheit signalisieren - Nachfragen der Presse dazu waren aber nicht erlaubt. «Ich habe ein Versprechen gegeben, dass 2021 sich nicht wiederholen wird - ich halte Wort», sagte Söder. Er und die CSU akzeptierten die Entscheidung zur K-Frage «nicht zähneknirschend», sagte der CSU-Chef. Vielmehr habe Merz seine «volle Rückendeckung, und das ist wichtig, mit einer sehr hohen persönlichen Wertschätzung verbunden.» Söder signalisierte, dass er mithelfen werde, die Union ins Kanzleramt zu bringen. Allerdings machte er deutlich, dass die Chefs von CDU und CSU beide grundsätzlich zum Kanzlerkandidaten geeinigt seien. Zudem sei das künftige Machtzentrum einer Regierungskoalition ohnehin der Koalitionsausschuss. Dort wäre Söder dann als «Chef in Bayern» mit Merz als «Chef in Berlin» entscheidend dabei.

Was nicht heisst, dass die Union zur Ruhe kommt. Zum einen fürchten selbst Unionspolitiker, dass Söder nicht ein Jahr bis zur Bundestagswahl stillhalten kann und sich nicht als «Reserve-Kanzlerkandidat» präsentiert. Immerhin kann der bayerische Ministerpräsident darauf verweisen, dass er in Umfragen bessere Zustimmungswerte als Merz hat. Schon 2021 hatte sich Söder nach seiner Niederlage gegen Laschet als «Kanzlerkandidat der Herzen» bezeichnet. Söder jedoch gab sich jetzt auch hier versöhnlich und betonte, dass er und Merz beide ein hohes Ansehen in der Bevölkerung und Akzeptanz in Umfragen hätten.

Zum anderen steht gerade der CDU-Chef vor der schwierigen Aufgabe, seine Partei in Ost und West zusammenzuhalten. Die heikle Gemengelage für die Regierungsbildungen nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen hat dies bereits gezeigt. Auch wenn die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der AfD bis auf wenige ostdeutsche Landtagsabgeordnete unumstritten ist: Ein mögliches Bündnis mit der Wagenknecht-Partei BSW im Osten hat bereits jetzt vehemente Abwehrreaktionen gerade in Westdeutschland ausgelöst.

(Reuters)