Ein Elternteil möchte sein ganzes Vermögen seiner Lebenspartnerin schenken, um sicherzustellen, dass seine Tochter aus erster Ehe leer ausgeht. Bei der Hotline des Beobachter-Beratungszentrums stellt er die Frage, ob die betroffene Tochter etwas dagegen unternehmen kann.

«Nein, verhindern kann sie es nicht», antwortet Juristin Helene Ott. «Aber nach Ihrem Tod kann sie die Schenkung herabsetzen lassen. Denn als Tochter hat sie Anspruch auf einen Pflichtteil: die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Weil Sie keine anderen gesetzlichen Erben hinterlassen, ist das die Hälfte des ganzen Nachlasses.»

Die Rechtsexpertin vom Beobachter-Beratungszentrum erläutert weiter: «Wenn Sie jetzt Ihr ganzes Vermögen verschenken, könnte alles weg sein, wenn Sie sterben. Aber die Tochter kann nach Ihrem Tod jede Schenkung anfechten, die Sie in den letzten fünf Jahren gemacht haben. Und falls die Schenkung nur erfolgt ist, um die gesetzliche Verfügungsbeschränkung zu umgehen – also eben den Pflichtteil –, gilt nicht einmal diese Fünfjahresfrist.

Aber: Sie können Ihre Lebenspartnerin heiraten, dann erbt Ihre Tochter weniger. Die Ehefrau wird zur gesetzlichen Erbin, und der Pflichtteil der Tochter betrüge nur noch ein Viertel.

Oder Sie schliessen mit der Tochter einen Erbverzichtsvertrag. Dafür ist üblicherweise eine Entschädigung geschuldet. Aber vielleicht ist Ihre Tochter ja bereit, für einen gewissen Betrag jetzt auf ihren späteren Erbanspruch zu verzichten.»

Helena Ott ist Juristin und berät im Beobachter-Beratungszentrum mit Schwerpunkt Familien- und Erbrecht. Sie ist zudem Stiftungsrätin der Stiftung SOS Beobachter. Mehr erfahren

Dieser Beitrag ist zuerst in der Online-Ausgabe des Magazins «Beobachter» erschienen.