Das US-Finanzdienstleistungsunternehmens Robinhood wird 59 Prozent unter seinem ursprünglichen IPO-Preis von 38 Dollar gehandelt und zählt zu den schlechtesten hochkarätigen globalen Börsendebüts in der Pandemie. Auch zu Jahresbeginn hat der Titel wegen der Aussicht auf steigende Zinsen in den USA zunächst stark an Wert eingebüsst. Doch seit gut einer Woche verdichten sich die Anzeichen, dass eine Bodenbildung stattfindet. In den letzten fünf Handelstagen konnte der Titel sogar um mehr als 7 Prozent zulegen.
Es gibt Grund für Optimismus: Es haben sich gleich mehrere Indikatoren für den Titel verbessert, wie der Finanznachrichtensender CNBC berichtet. Wie viele Anlegerinnen und Anleger Robinhood in einem bestimmten Monat nutzen und wie viel Geld Investoren auf der Plattform handeln. Ausserdem wächst die Reichweite der App des Unternehmens, die im Jahr 2021 mehr als 10 Millionen Nutzer hinzugewonnen hat, immer noch.
Kursentwicklung der Robinhood-Aktien seit dem IPO Ende Juli 2021 (Quelle: cash.ch).
"Die Robinhood-Achterbahn hat wohl den Tiefpunkt erreicht", sagte Greg Martin, Mitbegründer des US-Finanzdienstleisters Rainmaker Securities. "Ich erwarte, dass langfristige Investoren den zukünftigen Wert der massiven Benutzerbasis, der erstaunlichen Markenbekanntheit und des überlegenen Produkts von Robinhood erkennen und den Kurs der Aktie stützen. Für Robinhood spricht auch, dass das Unternehmen die Einnahmen langsam diversifiziert."
Die Marktteilnehmer schauen wohl mit dem jüngsten Kursanstieg bereits über die enttäuschenden Umsatzprognosen von Robinhood für das erste Quartal hinaus und belohnen das Unternehmen für das Wachstum seiner Konten, die sich jetzt insgesamt auf 22,7 Millionen belaufen.
"Das Wachstum des Unternehmens verlief nie geradlinig, sondern kam in Wellen, die oft im Zusammenhang mit Ereignissen wie der Meme-Mania Anfang letzten Jahres oder der Einführung neuer Produkte auftreten", sagte Devin Ryan, Analyst bei der Investmentbank JMP Securities.
Stabilisierung als positives Zeichen
Auch die monatlich aktiven Nutzer scheinen laut der japanischen Investmentbank Mizuho Securities ihren Boden gefunden zu haben. Diese stiegen im ersten Quartal 2021 während der GameStop-Manie um 6 Millionen und im zweiten Quartal erneut um 3,6 Millionen. Im dritten Quartal gingen sie dann um 2,4 Millionen zurück. Der Ergebnis für das vierte Quartal zeigte, dass der schrittweise Rückgang mit einem Verlust von 1,6 Millionen weniger schwerwiegend war als im Vorquartal. "Es scheint, dass das Negativwachstum der aktiven Nutzer allmählich nachlässt", sagte Dan Dolev, Analyst bei Mizuho.
Der Analyst von Mizuho Securities stellte gleichzeitig auch fest, dass sich der durchschnittliche Umsatz pro Nutzer zu stabilisieren scheint, was die Bedenken der Anleger zusätzlich zerstreuen könnte. Der durchschnittliche Umsatz pro Nutzer für das vierte Quartal betrug 64 Dollar, ein leichter Rückgang gegenüber 65 Dollar im dritten Quartal. Robinhood sagte zudem kürzlich, dass es "Möglichkeiten sieht, den durchschnittlichen Umsatz pro Nutzer zu erhöhen und unsere Konten zu monetarisieren, indem wir ihnen im Laufe der Zeit mehr Funktionalität geben", Auch desshalb sieht Dolev den geringfügigen Rückgang zum letzten Quartal als ein positives Zeichen.
Ryan von JMP Securities bemerkte auch: "Angesichts einer Rekordzahl neuer Produkte, die in den nächsten Quartalen auf den Markt kommen, erwarten wir Perioden mit überdurchschnittlichen Kundenzuwächsen und vor allem eine erneute Beschleunigung des Umsatzwachstums pro Benutzer." Er sehe einen "signifikanten Wert" zum aktuellen Preis von Robinhood. "Robinhoods Weg zu einem stärker diversifizierten Geschäftsmodell ist mit den Geschäftszahlen zum vierten Quartal klarer geworden. Wir erwarten, dass die eingeschlagene Strategie als Katalysator für kommende Perioden mit überdurchschnittlichem Kundenwachstum und Umsatzwachstum pro Benutzer dienen werden."
Die Analysten der Wall Street sind insbesondere begeistert von Robinhoods Wertpapierleihprodukt, das voraussichtlich in diesem Quartal eingeführt wird. JMP Securities schätzt, dass das Produkt zusätzliche Jahreseinnahmen in Höhe von 100 bis 200 Millionen US-Dollar bringen kann. Ausserdem sagte Robinhood bei seiner Telefonkonferenz, dass höhere Zinssätze dazu beitragen könnten, die Einnahmen zu steigern.
JMP Securities sieht auch einen Abwärtsschutz in der Aktie, da Robinhood rund 6 Milliarden Dollar in bar verfüge, was etwa die Hälfte seiner aktuellen Marktkapitalisierung ausmacht. Dies fügt Optionen für interessante opportunistische Fusionen und Übernahmen hinzu, von denen Ryan glaubt, dass sie sich nicht in der Bewertung widerspiegeln.
Von den 15 Analysten, die Robinhood abdecken, haben laut FactSet fünf ein "Buy"-Rating, acht ein "Hold" und zwei ein "Sell".