Nestlé hat CEO Laurent Freixe mit sofortiger Wirkung abgesetzt. Der Schritt folgt auf eine Untersuchung zu einer romantischen Beziehung Freixes mit einer ihm direkt unterstellten Mitarbeiterin, wie das Unternehmen am Montagabend mitteilte. Die Liebesbeziehung zwischen Freixe und der Mitarbeiterin ist erst durch eine zweite Untersuchung aufgeflogen. Dank externen Nachforschungen sei die Beziehung schliesslich nachgewiesen worden, sagte ein Nestlé-Sprecher der Nachrichtenagentur AWP am Montagabend.
Im Mai dieses Jahres sei dem Verwaltungsrat über interne Kanäle erstmals von der Beziehung zwischen Freixe und der Frau berichtet worden, sagte der Firmensprecher. Der Verwaltungsrat leitete daraufhin eine interne Untersuchung ein. Diese sei jedoch zum Schluss gekommen, dass dem CEO eine Beziehung nicht und damit auch kein Fehlverhalten nachgewiesen werden könne.
Die zweite Untersuchung förderte schliesslich die geheim gehaltene Beziehung zu Tage. Freixe verstiess mit dem Verschweigen der Beziehung zu der ihm unterstellten Mitarbeiterin gegen den Firmenkodex. Das Paar hätte diese offenlegen müssen. Die involvierte Frau arbeitet dem Vernehmen nach inzwischen nicht mehr bei Nestlé.
Der Nestlé-Verwaltungsrat ernannte Nespresso-CEO Philipp Navratil zum neuen Konzernchef. Das Gremium betonte, die strategische Ausrichtung bleibe auch unter dem neuen Schweizer CEO unverändert, man wolle aber das Tempo bei Wachstum und Effizienz steigern.
Die Untersuchung gegen Freixe wurde unter Aufsicht vom abtretenden Verwaltungsratspräsidenten Paul Bulcke und dem designierten neuen Verwaltungsratspräsidenten Pablo Isla geführt. Bulcke liess sich in der Mitteilung mit den Worten zitieren, die Entscheidung sei notwendig gewesen: «Nestlé's Werte und Governance bilden das solide Fundament unseres Unternehmens.» Gleichzeitig dankte er Freixe für dessen langjährigen Einsatz.
Freixe war genau ein Jahr als CEO im Amt. Für das Unternehmen allerdings arbeitete er seit 1986. Er war ein Nestlé-Urgestein. Weitere Sanktionen gegen Freixe gibt es nach Angaben des Firmensprechers nicht. Er muss nach dem Rauswurf allerdings auf eine Abgangsentschädigung verzichten. «Bei dieser Form der Trennung ist keine Abgangsentschädigung vorgesehen», sagte der Sprecher.
Freixe sass bei Nestlé auch im Verwaltungsrat. Ob, wann und allenfalls mit wem der freie Sitz besetzt wird, dazu sei noch kein Entscheid gefallen, sagte der Firmensprecher.
Ein Schweizer übernimmt den Chefposten
Der neue CEO Philipp Navratil ist seit 24 Jahren bei Nestlé. Der Schweizer begann seine Karriere bei Nestlé im Jahr 2001 in der internen Revision. Vor einem Jahr wurde er zum Nespresso-Chef ernannt. Seit Anfang Januar sitzt Navratil in der Konzernleitung.
Navratil erklärte: «Es ist ein Privileg, Nestlé in die Zukunft führen zu dürfen. Ich unterstütze voll und ganz die strategische Ausrichtung des Unternehmens, sowie den schon in Gang gesetzten Aktionsplan um die Leistung von Nestlé zu stärken.»
Zudem wolle er mit dem Verwaltungsrat, dem Präsidenten Paul Bulcke und dem designierten Präsidenten Pablo Isla daran arbeiten, die Umsetzung der Strategie zu beschleunigen, erklärte Navratil weiter. Auch der Wertschöpfungsplan solle intensiv vorangetrieben werden.
Aktienkurs sackte weiter ab
Nestlé-Chef Freixe hat seit geraumer Zeit in der Kritik gestanden. Der Franzose bekundete Mühe damit, die Investoren von seinem Turnaround-Plan zu überzeugen. Zuletzt sorgten die Halbjahreszahlen für einen Kurseinbruch. Freixe löste den glücklosen Mark Schneider unter grossem Getöse am 1. September 2024 ab, der acht Jahre lang an der Nestlé-Spitze war.
Der Aktienkurs stand bei der Amtsübernahme von Freixe vor einem Jahr bei 91 Franken. Heute sind es 75,49 Franken. Ende Juli 2025 waren die Aktien kurzeitig unter das Niveau von 70 Franken gefallen. Das war der tiefste Stand seit November 2016.
Analysten reagierten kritisch. «Wir sind enttäuscht, dass der neue CEO derzeit gezwungen ist, die Strategie seines Vorgängers fortzusetzen, obwohl der Markt angesichts der historisch niedrigen Aktienbewertung von Nestlé an deren Erfolg zweifelt», erklärte die Experten der US-Grossbank JPMorgan. Mit dem erneuten Wechsel dürfte die Frage nach der mittelfristigen Ausrichtung des Unternehmens weiter schwelen, bis mehr über die Pläne von Navratil bekannt werde.
Die Aktien von Nestlé verlieren am Dienstag mehr als 3 Prozent.
(AWP/cash)
5 Kommentare
Dem neuen CEO viel Erfolg, bitter seinen Posten in einem derartig desolatem personellen Umfeld antreten zu müssen.
Jetzt muss Herr Bulcke seine Position "sofor" räumen. Er sollte keine weiteren Strategien mehr entwickeln die
allesam bisher in die Hose gegangen sind. Klassischer Fall für Selbstüberschätzung und Klammern an falsche Überzeugungen. Hatte er doch so eindrucksvolle Vorbilder bei Nestle. Nichts ist ein Selbstläufer, alles bedarf der Anpassung und Kontrolle. Das fordert bestimmte Fähigkeiten an denen es leider mangelt!
Das ist ein schwerer Rückschlag für Nestle!
Ich hatte vor Jahrzehnten bei Nestle gearbeitet. Damals gab es gem. des "Flurfunks" zahlreiche "Affairen" höchster Führungskräfte. Insofern würde es mich nicht wundern wenn dies eine Intrige ist.
Nestle hat über viele Jahre mehr Geld an die Aktionäre in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen ausgeschüttet als der freie Cash Flow erlaubte. Die Verschuldung ist massiv gestiegen. Die Marken und Produktionsstätten wurden vernachlässigt.
Meines Erachtens benötigt Nestle eine starke Persönlichkeit die die Investitionen in Marken und Produktionsstätten zum Schwerpunkt macht. Die EBIT Marge ist bei Lebensmitteln begrenzt weil es regelmässig Alternativen gibt. Dann kann Nestle langfristig seinen Kurs wie auf Schienen aufnehmen.
sofern Sie vor Jahrzehnten für Nestle aktiv waren haben Sie unter einem ganz anderen Management arbeiten dürfen wie das heute offensichtlich der Fall ist. Es gab Kapitäne die Ziele, Richtung, Stil und Strategie aktiv beeinflusst haben. Es gab sehr sinnvolle Zukäufe, z.B. Tiernahrung um ein breiteres Angebot zu haben. Auch Verkäufe z.B. Alcon. Der weltweite Vertrieb - auch die Produktion - ist nahezu einmalig und wartet gierig auf kluge Impulse. Niemand zwingt zu Lebensmitteln u. Getränken. Heute haben wir es mit Stillstand und Führungsschwäche zu tun. Das ist jetzt sofort zu ändern! Begleite das Unternehmen als Anteilseigner über Jahrzehnte u. habe keinen Bock mit anzusehen wie das Schiff führungs- u. tatenlos dahin gleitet.
Ich finde, dass wenn er gute Leistung im Job erbracht hat, das Verhältnis zu seiner Mitarbeiterin nicht zu einer so drastischen Massnahme führen dürfte.
Gut wir wissen nicht alles, was so in den oberen Chefetagen abläuft